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Salzb. den 31 Decb: 1778

Das letztemahl Xz


Mein lieber Sohn!


Ich war sehr betroffen Deinen und Mr. Beckes Briefe zu lesen. Wenn Deine Thränen, Dein Betrübniß, und Herzens angst keinen andern Grund hat, als daß Du an meiner Liebe und zärtlichkeit gegen Dich zweifelst; so kannst Du ruhig schlafen, – ruhig essen und drincken und noch ruhiger hieher reisen. Ich sehe wohl Du kennest Deinen Vater nicht ganz. Es scheinet aus unseres freundes Briefe, als wäre dieß der Hauptstoff Deiner Traurigkeit: o ich wünsche daß es kein anderer ist! Dann hast Du nicht ursache weder einen nicht zärtlichen Empfang, noch unvergnügte Täge bey mir und Deiner schwester zu beförchten. Haben wir nicht unsere Herbstunterhaltung, die wir uns aus unserer schützen Cassa machen, so gar immer verschoben, bis Du [130] ankommst? und noch warten wir auf Deine Ankunft, glaubst Du denn nicht, daß ich es selber einsehe, was Du für eine Lebensarth hier mit Deiner itzigen eintauschest, – und hab ich nicht immer Dir alle hier mögliche Unterhaltung erlaubt – verschaft? – und glaubst Du ich werde es izt weniger thun? – Und ist es für mich nicht selbst nothwendig unterhaltung und möglichste fröhlichkeit zu suchen um mir das Leben zu verlängern und angenehm zu machen? – Die Hauptsache was mich in ängsten setzet, und beängstigen muß ist Dein langes ausbleiben. Denn da es bereits 4 Monate sind, daß ich das Interimsdecret in Handen habe, – da man Weis daß Du den 26ten Sept: von Paris abgegangen, – da man weis, daß ich Dir immer geschrieben, daß Du kommen sollst; – da man Dich auf meinen Nahmenstag – dann auf Weihñachten – und endlich aufs neue Jahre ganz gewiß hier zu seyn glaubte, so sage mir ob man mir nicht ins gesicht sagt, daß Du den Fürsten – und was ärger ist, Deinen vatter für einen Narren hältst; und daß ich es mir müsste gefallen lassen, wenn der Fürst sein Decret zurück nehmete, da ich nun wirklich weis, daß er darüber ungedultig ist, und endlich glauben müsste, daß ich ihn mit fleiß hätte wollen für einen Narren halten, – da ich es doch nur darum gethañ, weil ich gewiß weis, daß, bis Du nicht ein Paar Jahr älter wirst, keine bessere aussieht NB für unsere gesammten dermaligen umstände zu hoffen ist. Du machst demnach durch Dein längeres ausbleiben die Sache nicht besser, sondern schlimmer. Man zieht die Leute mit verheissungen und Hofnungsvollen versprechungen bey der Nase herum, bis am Ende nichts daraus wird, oder höchstens eine nicht anzunehmende proposition herauskommt: unterdessen, da man nach dem Schatten schnappet, verliert man den wirklichen brocken aus dem Munde. ja, wäre es nur um Dich alleine zu thun, – dann könntest Du gleichwohl Dich wie ein Pferd begnügen, welches sich reitten lässt, und braf den Wagen zieht, so oft mans einspannt, wenns nur einen Stall, und ihr futter hat, – so ein Pferd sind alle die, die sich vergnügt dünken, wenn sie nur Kost und zimmer haben, und dann dafür braf arbeiten, oder, was noch ärger – faullenzen. gut! Das will ich Dir [131] auch geben! und Dein vatter wird wohl doch den Vorzug haben? – Du bist schon seit dem 25ten in München, – schreibst mir den 29ten und hast die Sonaten noch nicht übergeben: Nun freylich wird mans Dir wegen den feyertägen nicht eingebunden haben. unterdess wird nun alles geschehen seyn. Du schreibst, ich soll Dich trösten. – und ich schreibe Dir komm Du und tröste mich, ich werde Dich mit freuden umarmen. – Ich werde fast ein Narr bey diesem schreiben, denn es ist der Neujahrs Abend, und obwohl die Thür geschlossen, so wird immer die glocke geläutet, der Pimperl bellet, der Ceccarelli schreyt und plaudert und die Leute wünschen mich daub, ob wohl sie sehen, daß ich schreibe und eyle, da die Post bald abgehet und ich schon das Licht brenne, denn es ist 5 uhr. den augenblick kommt der Calcant, und sagt der Cusetti hätte einen Brief bekommen, wo man ihm schreibt, daß Du künftige woche kommen wirst, morgen wird es mir nun wieder die ganze Statt sagen; dann er wirds aller orten erzehlen. Was Du mir von einer Messe schreibst, hab geglaubt Du hättest schon bey Deinem Aufenthalt in Strasburg, Manheim, Kaysersheim nach und nach daran gearbeitet – denn so eine Idée hab ich vermuthet um mit allem prepariert nach München zu kommen. allein, Nun ist es zu späth – Componieren – Copieren x. gott bewahre! und am Ende einRegal, davon h: gr: Seau dmo umebl blumet.2 Kurz! ich stehe auf dem Punckt recht heruntergesetzt zu werden, denn die Sache geht zu weit. – keine gewisse vernünftige aussicht – noch weniger eine dauerhafte in München. Hier das gewisse, und dauerhafte = so lang man will =, lasse den Brief nur dem Mr Becke lesen, den ich Dir den 28 an ihn eingeschlossen, oder lese ihm daraus was Du willst, ich hoffe er soll meine Meinung gründlich finden. e Mellin ist heut frühe mit einem aigenen gefährde, einem 2 sitzigen gläserschwimmer nach München abgereiset der gutscher wird einen Brief von mir bringen. Er kann ein paar tage warten, wenn Du lieber mit ihm in diesem sehr bequemen schwimmer, als mit dem stossenden dilligence wagen fahren wolltest, ob Du den 5ten oder 6ten abgehest wird eins seyn, da Du noch [132] dazu mit der dilligence die ganze Nacht fahren must. wir werden, da Comoedien sind, und dann dieBall kommen, uns so viel möglich gut unterhalt: und ich wünsche und hoffe in einem Jahre nach Italien zu gehen, da Ceccarelli sich auch impegniert Nun muß ich schlüssen, sonst ist die Post weg! Wenn Du Deinen vatter und Deine schwester Liebst, so musst Du auch glauben, daß sie Dir alles vergnügen zu machen sich mühe geben werden. Wir wünschen Dir glücksel. neues Jahr von Herzen – O wärest Du nur schon da, wie ruhig würde ich schlafen: gott gebe Dir eine glücks: Reise, wir küssen Dich millionmahl in der Hofnung Dir bald zu sagen daß ich bin Dein Dich von Herzen liebender vatter

Mzt

Fußnoten

1 Antwort auf Wolfgangs Brief vom 29. Dezember.


2 Auflösung der Chiffren: das halbe behalt.


Quelle:
Die Briefe W. A. Mozarts und seiner Familie. 5 Bände, Band 4. München/ Leipzig 1914, S. 133.
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