189.

[107] Vienne ce 8 d'août 1781


Mon trés cher Pére!


Ich muß geschwind schreiben, weil ich den augenblick eben mit dem Janitscharenchor fertig geworden, und es nun schon 12 uhr vorbey ist, und ich versprochen habe Puncto 2 uhr mit den Auerhammerischen und der Cavallieri nach Mingendorf bey Laxenburg zu fahren, alwo nun das Lager ist. – Der Adamberger, die Cavallieri und der fischer sind mit ihrenarien ungemein zufrieden. – Gestern habe ich bey der Gräfin thun gespeist, und Morgen werde ich wieder bey ihr speisen – ich habe ihr was fertig ist hören lassen. – sie sagte mir auf die lezt, daß sie sich getraue mir mit ihren leben gut zu stehen, daß das, was ich bis dato geschrieben, gewiß gefallen wird. – ich gebe in diesen Punckt auf keines Menschen lob oder tadel – o leute nicht alles im ganzen – gehört oder gesehen haben; sondern folge schlechterdings meinen eigenen Empfindungen – sie mögen aber nur daraus sehen, wie sehr sie damit muß zufrieden gewesen seyn, um so etwas zu sagen. –

[107] weil ich eben nichts zu schreiben habe was von Wichtigkeit wäre, so will ich ihnen nur eine abscheuliche Geschichte mittheilen – vielleicht ist sie ihnen schon bekannt; man heist sie hier die tyroller geschichte. – mich interessirt sie um so mehr, weil ich denjenigen den sie unglücklicherweise getroffen, schr gut von München aus kenne, und er auch izt täglich zu uns kömmt. – Das ist h: v: Wiedmer ein Edelmann. Dieser, ich weis nicht aus unglück oder Natürlichen triebe zum theater hat vor etwelchen Monaten angefangen eine truppe zu errichten, mit welcher er nach Ins-pruck ist. – an einem Sontage Mittags um 12 uhr geht dieser gute Mann ganz ruhig auf der strasse, und da gehen etwelche Cavalliers so hinterihm; einer aber darunter mit Nammen Baron Buffa, schimpft immer auf den Impreßario, nemlich; Der Cuion soll seiner tänzerin eher gehen lernen, bevor er sie auf das theater giebt – und mit allerhand nach Nämme – h: v: Wiedmer natürlicher weise sieht sich nachdemm er lange zugehört, endlich um. Da fragt ihn der Buffa; was er ihn ansieht? – Dieser antwortet ganz gut. – Ey, sie sehen mich Ja auch an; die Strasse ist frey, man kann sich Ja umsehen wie man will. – und geht wieder seine weege fort. – Der Baron Buffa fährt aber immer fort zu schimpfen; endlich wird es dem Ehrlichen Mann zu stark; und frägt ihn wem gilt denn das? – Dir hundsfut mit einer tüchtigen ohrfeige war die antwort; h: v: Wiedmer gab sie ihm aber gleich zurück, mit noch andern annehmlichkeiten. – keins hatte einen Degen bey sich; sonst würde er es ihm gewis nicht mit gleichen erwiedert haben. – Dieser geht ganz ruhig nach hausum sich seine haare ein wenig in die ordnung bringen zu lassen, (denn Baron Buffa kriegte ihn auch beym haare) und wollte die sache beym Präsidenten (graf Wolkenstein) vorbringen. – Da war aber schon sein ganzes hauß voll Wache, und man brachte ihn auf die hauptwache; – er mochte sagen was er wolle, es nützte nichtser sollte seine 25 auf den hintern haben. endlich sagte er; ich bin ein Edelman, ich lasse mich nicht unschuldiger weise schlagen, ich will eher Soldat werden, um mich selbst revangiren zu können. – Denn in Inspruck muß der dumme tyroller brauch seyn, daß kein mensch [108] einen Cavalier schlagen darf, wenn er auch noch so viel recht dazu hätte. – auf dieses brachte man ihm ins zuchthaus, und dort musste er nicht 25, sondern 50 aushalten. – ehe er sich auf die bank geleget, so sagte er öfentlich. ich bin unschuldig. und ich appellire izt öfentlich an den kayser. Der Corporal antwortete ihm aber spöttisch. – halte der herr nur vorher seine 50 Prügel aus, hernach kann der herr appellieren. in 2 Stunden war die ganze sache vorbey – nemlich um 2 uhr. auf den 5ten streich waren schon die Beinkleider entzwey. – mich wundert es in der that, daß er es hat aushalten können. – man hat ihn auch wirklich ohnmächtig weg-gebracht. – er ist 3 wochen gelegen. so bald er curirt war, so ist er schnurgerad nach Wieñ, wo er izt mit sehnsucht die ankunft des kaysers erwartet, der von der ganzen sache schon informirt ist, so wohl von hier aus, als von inspruck von seiner schwester die ErzherzoginElisabeth. – wied mer selbst hat einen brief von ihr an kayser. – Den tag vorher ehe dieses geschehen, hat der Präsident ordre bekommen, niemand, es sey wer und was wolle, zu strafen, ohne es vorher hierher zu berichten. Das macht die sache noch schlimmer. – Der Präsident muß doch ein recht dummer und boshafter ochs seyn. – aber – wo kann man diesem Manne hinlängliche satisfaction verschaffen? – Die schläge hat er immer – wenn ich Wiedmer wäre, ich würde von kayser folgende satisfaction verlangen. – er müßte auf den Nämlichen Platz 50 aushalten, und ich müsste dabey sein – und dann müsste er mir erst noch 6000 Duckaten geben. – und könnte ich diesesatisfaction nicht erlangen, so wollte ich gar keine, sondern stechte ihn mit der nächst, besten gelegenheit den Degen durch das herz. NB: Man hat ihm schon 3000 Duckaten angeboten, wenn er nicht nach Wieñ geht, und die sache still hällt. – Die Insprucker heissen den h: v: Wiedmer; Der für uns gegeisselt ist worden, der wird uns auch erlösen. – keine seele mag ihn. – Des Präsidenten hauß ist die ganze zeit bewacht gewesen. – es ist hier ein Evangelium über ihn heraus. – es wird von nichts geredet, als von dieser sache. – mich dauert der arme Mann recht sehr, denn er ist niemalen recht gesund. er hat immer zu kopfweh, und klagt die brust sehr.

[109] Nun leben sie wohl, ich küsse ihn 1000 mal die hände, und meine liebe schwester umarme ich von herzen u bin Ewig Dero

gehorsamster Sohn

W. A: Mzt


Mein Complim an die Duscheck-

-ischen, und ich hoffe sie hier zu

sehen. Adieu.

Quelle:
Die Briefe W. A. Mozarts und seiner Familie. 5 Bände, Band 2. München/ Leipzig 1914, S. 107-110.
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