276. [an Professor Anton Klein in Mannheim]

[265] Hoch Schätzbarester Herr geheimer Rath! –


Ich habe sehr gefehlt, ich muß es bekennen, daß ich ihnen nicht gleich den richtigen Empfang ihres briefes und mitgeschickten Pacquets gemeldet habe; – das ich in der zwischenzeit 2 briefe von ihnen noch sollte erhalten haben – ist nicht deme also; ich würde auf den ersten sogleich aus dem Schlaf gewecket worden seyn, und ihnen geantwortet haben, wie es izt thue. – ich bekamm ihre 2 briefe lezten Postage mit einander. – ich habe schon selbst bekennt, daß ich hierinen gefehlt habe, daß ich ihnen nicht gleich geantwortet habe; – was aber die Oper anbelanget, würde ich ihnen damals eben so wenig darüber haben schreiben können, als izt. – lieber Hr. gehr. Rath –! – ich habe die hände so voll zu thun, daß ich fast keine Minute finde, die ich für mich anwenden könte. – als ein Mann von so grosser Einsicht und Erfahrung wissen sie selbst besser als ich, daß man so was1 mit aller möglichen aufmerksamkeit und überlegung – nicht einmal – sondern vielmal überlesen muß. – bishero hatte noch nicht zeit es einmal – ohne unterbrechung zu lesen. – alles was ich dermalen sagen kann, ist, daß – ich es noch nicht aus handen geben möchte; – ich bitte sie also mir dies Stück noch auf einige zeit anzuvertrauen. – im falle es mir lust machen sollte es in Musik zu setzen, so wünschte doch vorher zu wissen, ob es eigentlich an einem orte zur auführung bestimmt seye? – Denn so ein Werk verdiente so wohl von seiten der Poesie als Musick nicht umsonst gemacht zu seyn. – ich hoffe mir über diesen Punckt eine erläuterung von ihnen. – Nachrichten, die zukünftige teutsche Singbühne betresend kann ich ihnen noch dermalen keine geben, da es dermalen noch (das bauen in dem dazu bestimmten kärntnerthortheater ausgenommen) sehr stille hergehet. – sie soll mit anfangs october eröfnet werden. ich, meinestheils, verspreche ihr nicht viel glück. – nach den bereits gemachten anstalten sucht man in der that mehr die bereits vieleicht nur auf einige zeit gefallene teutsche Oper, gänzlich zu Stürzen – [265] als ihr wieder empor zu helfen – und sie zu erhalten. – Meine SchwägerinLange nur allein darf zum teutschen Sing-Spiele. – Die Cavallieri, Adamberger, die teuber, lauter teutsche, worauf teutschland Stolz seyn darf, müssen beym welschen theater bleiben – müssen gegen ihre eigene landsleute kämpfen! – Die teutschen Sänger und Sängerinnen dermalen sind leicht zu zählen! – und sollte es auch wirklich so gute als die benannten, Ja auch noch bessere geben, daran ich doch sehr zweifle, so scheint mir die hiesige theater direction zu oeconomisch und zu wenig Patriotisch zu denken um mit schwerem geld fremde kommen zu lassen, die sie hier im orte besser – wenigstens gleich gut – und umsonst hat; – denn die welsche trup braucht ihrer nicht – was die anzahl betrift; sie kann für sich alleine Spielen. – Die Jdèe dermalen ist, sich bey der teutschen oper mit acteurs und actricen zu behelfen, die nur zur Noth Singen; – zum grössten unglück sind die directeurs des theaters so wohl als des orchesters beybehalten worden, welche so wohl durch ihre unwissenheit als unthätigkeit das meiste dazu beygetragen haben, ihr eigenes Werk fallen zu machen. wäre nur ein einziger Patriot mit am brette – es sollte ein anders gesicht bekommen! – Doch da würde vieleicht das so schön aufkeimende National-theater zur blüthe gedeihen, und das wäre Ja ein Ewiger Schandfleck für teutschland, wenn wir teutsche einmal mit Ernst anfiengen teutsch zu denken – teutsch zu handeln – teutsch zu reden, und gar teutsch – zu Singen!!! –

Nemmen sie nur nicht übel mein bester Hr: geh: Rath, wenn ich in meinem Eifer vieleicht zu weit gegangen bin! – gänzlich überzeugt mit einem teutschen Manne zu reden, liess ich meiner zunge freyen lauf, welches dermalen leider so selten geschehen darf; daß man sich nach solch einer herzens Ergiessung keklich einen Rausch trinken dörfte, ohne gefahr zu laufen seine gesundheit zu verderben. – ich verharre mit vollkommenster achtung

Schätzbarester Hr: geheimer Rath

dero gehorsamster Diener

W: A: Mozart


Wienn den 21t März 1785.

Fußnoten

1 Ein Libretto Kleins.

Quelle:
Die Briefe W. A. Mozarts und seiner Familie. 5 Bände, Band 2. München/ Leipzig 1914, S. 265-266.
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