2.

Litaneien und kleinere Kirchen-Compositionen.

[310] Zu den größeren kirchlichen Compositionen gehören auch die Litaneien, indem die gottesdienstliche Handlung die Abtheilung des Textes in besondere Abschnitte zuläßt. Wir besitzen von Mozart einige Litaneien aus seiner früheren Zeit, von denen die folgenden Beachtung verdienen, ja zum Theil zu den besseren [310] Arbeitern des jugendlichen Meisters gehören. Ueber das Wesen der Litaneien selbst verweisen wir auf O. Jahn I. p. 494, wo der Gegenstand vollständig behandelt ist.


Nr. 1. Litaniae Lauretanae in B.


Componirt 1771 im Monat Mai zu Salzburg. Sie ist vollständig mit deutschem Text: Allerbarmer, höre, ach höre! auch als Cantate gedruckt worden (Cantate Nr. II. in der Partitur und als Nr. 4 im Simrock'schen Clavier-Auszug), und hat dadurch viele Verbreitung gefunden. (Musikbeilage Nr. 21.)


Nr. 2. Litaniae de Venerabili Sacramento in B.


Componirt im März 1772. Dieß ist die Litanei, von welcher im biographischen Theil (Bd. I. p. 215 u.f.) die Rede war, mit der berühmten Fuge Pignus futurae gloriae, welche in England so bekannt geworden ist. Leopold Mozart ließ sich diese Composition im December 1774 nach München schicken, um sie dort aufführen zu lassen. Novello hat einen Clavier- (oder Orgel-) Auszug der ganzen Litanei herausgegeben und Theile derselben, darunter das Pignus, sind zu einer deutschen Cantate (Nr. II. der Partitur, Nr. 5 der Simrock'schen Sammlung) verwendet worden. (Musikbeilage Nr. 22.)


Nr. 3. Litaniae Lauretanae.


Componirt 1774. Weniger bedeutend.


[311] Nr. 4. Litaniae de Venerabili in E-dur.


Componirt 1776 im März zu Salzburg. Wohl die schönste der Mozart'schen Litaneien. Sie wurde im Jahre 1855 zum ersten Mal von André in Offenbach mit einem Vorwort von Otto Jahn herausgegeben, welchem wir Folgendes entnehmen: »Sie gehört nicht mehr zu den jugendlichen Versuchen des sich bildenden Schülers, sondern ist ein reifes Werk des seiner Kunst wie seiner Individualität nach fertigen Meisters. Das Kyrie, welches zum Schlusse wiederkehrt, und das Hostia sancta, in dem Solo und Chorstimmen abwechseln, sind Sätze, in denen sich die anmuthige und liebliche Seite von Mozart's künstlerischer Natur so schön und gehaltvoll ausspricht, wie in wenig anderen seiner bekannten Compositionen. Ueber ihnen ragen wiederum die SätzeVerbum caro factum, Tremendum und Viaticum durch tiefen Ernst und eine heilige Würde eben so sehr als die poetische Weihe der Auffassung hervor. Höchst eigenthümlich ist namentlich der letzte Satz, in welchem der Sopran die alte Choralmelodie des Hymnus vom hochwürdigen Altar-Sacrament Pange lingua nach römischer Sangweise als Cantus firmus zu einer großartig-imposanten Orchesterbegleitung vorträgt. An diese schließt sich das Pignus an, das nach herkömmlicher Weise in einem streng contrapunktischen Satz besteht.« O. Jahn hofft, daß die Veröffentlichung dieser Litanei eine wahre Bereicherung der Kunst sein werde – dieß wird nur der Fall sein, wenn sie häufig zur öffentlichen Aufführung gelangen kann, weßwegen wir sie dringendst allen Kirchengesangvereinen empfehlen möchten. Als Beispiel geben wir den Schluß des Kyrie mit seinem von Mendelssohn so gerne angewandten Nonendurchgang. (Musikbeilage Nr. 23.)

[312] Von den kleineren kirchlichen Compositionen ist das so charaktervolle Misericordias und das himmelsreine Ave verum, im letzten Jahre seines Lebens componirt, von Ulibischeff bereits besprochen worden, es bleiben nur noch mehrere Vespern, Hymnen, Psalmen, Offertorien, Motetten und ähnliche kleinere Werke übrig, welche von Otto Jahn thematisch, und wo es möglich war, auch chronologisch geordnet worden sind. Sie enthalten manches Beachtenswerthe, ihre einzelne Aufzählung würde aber den Raum, der uns noch übrig bleibt, übersteigen, weßwegen wir auf Otto Jahn I. p. 677–687 verweisen.

Wie wir schon mehrmals gesehen haben, sind viele Sätze aus Messen und ähnlichen Werken unter dem Titel von Cantaten mit deutschem Texte herausgegeben worden. Wir haben schon in der Anmerkung zu pag. 216 des ersten Bandes darauf hingewiesen und hervorgehoben, daß sie dadurch unseren deutschen Gesangvereinen zugänglich geworden sind, und ihre Verbreitung wünschenswerth sei. Wir geben nun zur Orientirung eine Uebersicht dieser Cantaten, und legen dabei die Numerirung der allgemeiner zugänglichen Simrock'schen Sammlung im Clavier-Auszug von Zulehner zu Grunde


  • Nr. 1. Cantate: Lob der Freundschaft, für vier Stimmen. Ursprünglich Freimaurer-Cantate. Componirt 15. Nov. 1791, also eine der letzten Compositionen Mozart's, sehr passend für den gesellschaftlichen Kreis.

  • Nr. 2. Motett: Ne pulvis et cinis superba, mit dem Texte: Ob fürchterlich tobend sich Stürme erheben, für vier Stimmen.

  • Nr. 3. Hymne: Gottheit! Dir sei Preis und Ehre, für vier Stimmen.

  • [313] Nr. 4. Cantate: Allerbarmer höre, für vier Stimmen. Ursprünglich aus Litanei in B. Nr. 1. Componirt 1771.

  • Nr. 5. Cantate: Heiliger sieh' gnädig hernieder, für vier Stimmen. Ursprünglich Kyrie – Panis omnipotentis – Viaticum – Pignus futurae gloriae aus Litanei in B. Componirt 1772.

  • Nr. 6. Hymne: Splendente de Deus, Preis dir Gottheit! für vier Stimmen.

  • Nr. 7. Cantate: Herr vor deinem Throne, für vier Stimmen. Ursprünglich Kyrie aus einer Messe.

  • Nr. 8. Cantate: Alles was ich hoffe, mit italienischem und französischem Text. Terzett. Ursprünglich Quoniam aus der C-moll-Messe, sodann im Davidde penitente zum Text: Tutte le mie speranze.

  • Nr. 9. Cantate: Ewiger, erbarme dich! für vier Stimmen. Ursprünglich Missa in C (Nr. 5 in Vovello's Sammlung).

  • Nr. 10. Cantate: Allmächtigster, Heiligster! für vier Stimmen. Ursprünglich Missa in C (Nr. 4 in Novello's Sammlung).

  • Nr. 11. Cantate: Hoch vom Heiligthum. Ursprünglich als Dixit, componirt 1772.

  • Nr. 12. Cantate: Herr, auf den wir schauen. Ursprünglich Missa in C (Nr. 11. Novello).

Quelle:
Alexander Ulibischeff: Mozart's Leben und Werke. Stuttgart 2[1859], S. 310-314.
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