77. An Emanuel Klitzsch.

[425] Düsseldorf, d. 9. August 1851.


Geehrter Freund,


Eben erst von einer größeren Reise zurückgekehrt, beeile ich mich, Ihnen für Ihr letztes briefliches Andenken zu danken. Es thut immer wohl, sich auf seinen Wegen auch in der Ferne von Wohlwollenden begleitet zu sehen, und ich weiß, daß Sie zu der Zahl der letzteren gehören. Ich bin sehr zufrieden in meiner hiesigen Stellung, und wüßte, da sie meine physischen Kräfte auch nicht zu sehr in Anspruch nimmt (dirigiren strengt doch sehr an), kaum eine, die ich mehr wünschte. Auch sonst gedeiht Manches, wie Sie als theilnehmender Freund meines Strebens wissen, und daß ich das Frischgeschaffene mir schnell zu Gehör bringen kann, wenn ich sonst will, ist auch ein großer Vortheil.

Möchten denn auch Sie bald eine Stellung gewinnen, wie Sie sie wünschen und verdienen. Schwer ist's freilich. Ich bin neugierig zu erfahren, worin die Veränderung der Verhältnisse besteht, die Sie in Ihrem Brief erwähnen.

Vergessen Sie auch nicht, mir von Ihren Arbeiten und nicht blos dem Namen nach mitzutheilen.

Hr. Bacc. Kuntzsch hat mir eine große Freude gemacht mit einer neuen Sendung Operpartituren. Grüßen Sie ihn auf das herzlichste; ich danke und schreibe ihm nächstens noch selbst.

Wir waren auf unserer letzten Reise ziemlich weit und haben die Sonnenfinsterniß Angesicht des Montblancs beobachtet. Zwei ganze Tage lang hat uns der ehrwürdige Riese sein Haupt zu sehen vergönnt – ein seltenes Glück! – Auch der Genfer See ist himmlisch. Wie gönnte ich Allen, die ich liebe, nach diesen paradiesischen Gegenden einmal zu kommen! – Auch eine kleine musikalische Aufführung hatten wir im vorigen Monat. Es ist ein Märchen »Der Rose Pilgerfahrt« eines jungen Chemnitzer Poeten, Namens Horn, das ich für Solostimmen, Chor und Pianoforte componirt, in Form und Ausdruck etwas der Peri verwandt, das Ganze nur mehr in's Dörfliche, deutsche gezogen. Es hat einen sehr freundlichen Eindruck gemacht auf die Hörer.

Sonst wollte ich Sie noch auf eine doppelchörige Motette »Verzweifle nicht«, bei Whistling erschienen, aufmerksam machen; es sollte mich freuen, Ihr Urtheil darüber zu erfahren.

Das Papier geht zu Ende, obwohl nicht der Stoff. So möchte[425] ich Sie denn noch bitten, mir recht oft zu schreiben – aus der lieben Heimath, an die ich so oft denke.

Ihr

ergebener

R. Schumann.

Quelle:
Wasielewski, Wilhelm Joseph von: Robert Schumann. Bonn 31880, S. 425-426.
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