Tour in's Oberland

[291] Nachdem Weber am 3. September ein wohlbesetztes Concert, bei dem er, wie er mit besonderer Freude bemerkt, zum ersten Male ein, ihm von Frau Major Schultheß geliehenes, Erard'sches Piano spielte, und die sehr hoch gespannten Erwartungen des Publikums so vollständig befriedigte, daß der Beifall ihn fast bedrückte, in Zürich gegeben hatte, entschloß er sich, den ihm lieb gewordenen, braven Liste, der im Begriffe war, eine Fußtour durch das Berner Oberland zu machen, zu begleiten und so die Wander-Kräfte seiner Beine, denen er mit Recht nicht viel zutraute, durch das Experiment zu prüfen, vielleicht auch unterwegs durch ein Concert die Kosten der Reise zu decken. Mit geliehenem, leichten Ränzchen wanderten die beiden Musikanten aus den Thoren Zürichs.

Diese für Weber's musikalische Entwicklung oder äußere Stellung ohne Einfluß bleibende Reise geben wir mit den kurzen Worten seiner eignen Notizen über dieselbe, die voll charakteristischer Züge für seine gesunde, blasser Sentimentalität fremde Natur, sind.[291]

»Den 6. früh 1/25 mit Liste zu Fuß abmarschirt. Dem Kerl der mich weckte 10 Schillinge gegeben. Auf dem Albis die erste Milch und Butter genossen. Den Schnabel bestiegen. Göttliche Aussicht auf den Züricher und Zuger See. Das Schlachtfeld bei Kappel passirt, wo Zwingli blieb. Auf dem Zuger See bis Immensee. Tells Capelle betreten, bei der hohlen Gasse wo er Geßler erschoß. von da auf den Rigi zu steigen angefangen. Sennhütte besucht. Herrliche Natur. Höchst mühseliges Steigen. Abends halb 7 halb todt auf der Rigi Staffel angekommen. Es war zu wolkigt um noch den Kulm zu besteigen. wir machten also noch die Stunde bis zum Wirthshaus und zum Kapuziner. Im Ochsen eingekehrt. Ganz warme Ziegenmilch vom Euter getrunken. Uebernachtet. Hundemüde.

Den 7. früh 3 Uhr auf und den Kulm bestiegen. Fast glaubte ich ihn nicht zu erreichen da mir der Sonnenaufgang schon so sehr nahe schien und ich daher sehr eilte und mich über die Maßen anstrengte. Ich erstieg den Kulm in 3/4 Stunden und kam höchst erhitzt oben an wo eine ziemliche Kälte herrschte so daß das vom Führer angemachte Feuer sehr erfreulich war. um 1/26 Uhr erschien die Sonne in ihrem Glanze nachdem sie vorher die Spitzen der Gletscher vergoldet hatte und reichlich war ich für meine Mühe belohnt. Beschreiben muß man so etwas nicht. – von da gingen wir den Weg über Wäggis herab, tranken bei der Capelle zur ›Junfer im Schnee‹ aus der Wunderthätigen Quelle, sahen das Bad, das wie ein Sarg aussieht und langten um 11 Uhr in Wäggis an. Von hier zu Schiff nach Luzern wo wir 1 Uhr waren. Hier sagte mir Hr. Meyer daß Nichts zu machen sei, worauf ich mich entschloß den andern Tag abzureisen. Ich besah die Orgel die 33 Schuh hohe zinnerne Pfeifen hat, ging dann ins Bad wo man wie in einem Sautroge sitzt. Hübsche Französin zur Badebedienung. Nachts brachten mir die Herren Schnyder, Tellmann, Meyer etc. noch eine Serenade von Schnyder comp. mit 2 Violin 1 Viola und Cello.

Den 8. nach Aarburg mit Tellmann. Abends dort in der Krone abgestiegen. Den 9. nach Solothurn im einspännigen Wägelein. In der Krone abgestiegen. Hr. v. Lessen mit dem jungen Grafen Wrebe getroffen[292] und mit ihnen nach Tische nach Jegisdorf zum bairischen Gesandten d'Ollory gefahren. Bei Herrn d'Ollory wurde ich vortrefflich aufgenommen und genöthigt da zu bleiben. Im Kreise der Familie, Mad. Peyermann, Wilhelmi und Ernst aus Bern und dem Landammann von Grimm einen sehr angenehmen Abend passirt besonders durch den sehr braven Gesang der Mad. Peyermann. Es thut so wohl wenn man wieder einmal unter gute, biedere, gerade Menschen kömmt, die sich mit Wärme für die Kunst interessiren. Herrlich geschlafen.«

Quelle:
Weber, Max Maria von: Carl Maria von Weber. Ein Lebensbild. Band 1, Leipzig: Ernst Keil, 1864, S. 291-293.
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