C. Dautrevaux

[111] Carl Maria wohnte in einem der herzoglichen Cavalierhäuser am Schloßplatze als Gast des Fürsten, dessen eigene Diener auch[111] ihn bedienten. Das Frühstück, von einem herzoglichen Lakaien gebracht, nahm er in seiner Wohnung. Sein Vater und seine Tante lebten in einer Privatwohnung in der Nähe. Mittags und Abends war er der Genosse des Herzoglichen Tisches und ein vielgerngesehenes Mitglied des Zirkels, der sich um den Theetisch oder das Piano der Herzogin versammelte. Die kindlichschöne, 16jährige Prinzessin Sophie Dorothea zierte diesen Kreis wie eine stille Blume. In sich gekehrt und verschlossen zeigte ihre junge Seele schon damals die Neigungen, die sie später zur Aebtissin von Clarissenfeld machten. Fast alle Abende wurde musizirt, wozu selbst im kleinsten Kreise ausreichende Kräfte vorhanden waren. Der Herzog Eugen blies Oboe mit Fertigkeit, Herr von Rohr spielte Viola, das Piano wurde meist durch die Herzogin oder Fräulein von Belonde vertreten und Weber sang zur Guitarre oder spielte mit den Damen. Zur Quartettmusik wurden für die Besetzung des Cello und der Violine der Maler Groß und der Canzellist des Herzogs, Dautrevaux, der eigentlich Hornist und Virtuos auf diesem Instrumente war, beides Mitglieder der Capelle, als gebildete und liebenswürdige Männer, zugezogen. Nichts glich dem Reize dieser geselligen Abende im Familienkreise, die fürstlichen Verhältnisse, edle Gesinnungen, die Liebenswürdigkeit und der Geist der Frauen, die Behaglichkeit eines wohlgeführten Hauswesens, die Talente und die Biederkeit der Männer in gleichem Maße schmückte und wo gleichsam die edelsten Geister alle, die jemals in Tönen gedacht haben, als geliebte und traute Mitglieder der Gesellschaft heimisch waren.

Mit besonderer Liebe aber wurde der vom Herzoge am höchsten gehaltene Componist, Joseph Haydn, gehegt und gepflegt. Die Aufführung seiner Kammermusikwerke und Symphonien wurde mit einer Art Cultus betrieben und von ihm selbst fast nur in dem Tone gesprochen, in dem man von einem lieben Vater redet.

Eigentliche Concertabende, wo größere Musikwerke unter Zuziehung der ganzen Capelle im Theater gegeben wurden, waren Donnerstag und Sonntag, während Mittwoch und Sonnabend Schauspiel oder Oper war. Zu allen Concerten und Vorstellungen hatte Jedermann[112] ohne Entrée Zutritt. Dagegen liebte es der Herzog, daß, wenn er einmal eine Aufführung zu einem wohlthätigen Zwecke mit Entrée veranstaltete, das Haus voll sei, was bei seiner großen Beliebtheit zur Folge hatte, daß zu solchen Gelegenheiten die Leute fünf und mehr Meilen in der Runde zugereist kamen, um ihr Scherflein beizusteuern.

Der Herzog ließ sehr häufig in den Concertenprima vista spielen, unbekümmert um das Mißrathen von Kleinigkeiten, und die Fertigkeit seiner Capelle war sein Stolz.

Carl Maria erkannte sehr wohl, daß er auf keine angenehmere Weise dem edeln Fürsten seine Dankbarkeit darlegen könnte, als indem er alle seine Kräfte aufbot, dieser seiner schönen und lobenswerthen Liebhaberei dienstbar zu sein.

Aus diesen gesammten Verhältnissen, die Leichtigkeit, mit der Orchester-Werke zur Aufführung kommen konnten, und die eigene vom Fürsten getheilte Vorliebe für Haydn's Schöpfungen, ergiebt sich der Schlüssel zur Lösung der Frage über Gattung und Form der Werke, welche Carl Maria während seines Carlsruher Aufenthaltes producirte.

Quelle:
Weber, Max Maria von: Carl Maria von Weber. Ein Lebensbild. Band 1, Leipzig: Ernst Keil, 1864, S. 111-113.
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