Friedrich Wilhelm Berner

[91] Als erster Geiger saß in demselben der später eine so große Rolle in Breslau spielende Joseph Schnabel, Capellmeister am Domstift, in dessen Händen die Leitung fast aller bedeutender Concerte lag und dem die Stadt die Wiederbelebung guter Kirchenmusik und Erweckung des Sinns für classische Werke dankt, die er fleißig in den sogenannten Richter'schen Liebhaberconcerten, welche er 10 Jahre dirigirte und den zu Stande gekommenen Abonnementsconcerten, vorführte. Dabei war er ein trefflicher Orgelspieler und tüchtiger Tongelehrter, 1804 38 Jahre alt. Außerdem saßen im Orchester die guten Musiker Jennizeck bei der I. Violine, Hesse und Lohse[91] beim Cello, Adamy bei der Flöte, Dozer bei der II. Violine, Beskowsky bei der Oboe. Trotzdem konnte es seine Kräfte nicht ausnutzen, da die Mitglieder so schlecht bezahlt waren, daß sie sich bei jeder Gelegenheit, wo sie anderwärts Geld zu verdienen im Stande waren, von untergeordneten Spielern vertreten ließen, so daß von einem gründlichen Durcharbeiten der Werke keine Rede sein konnte. An darstellenden Mitgliedern besaß das Theater außer den oben erwähnten Sängern und Sängerinnen Madame Fleischer (Hillers Tochter) und den vorzüglichen Tenor Räder. So konnten Mozarts, Daleyracs, Voglers Opern auf das Repertoir kommen, Mozarts Requiem, Haydns Jahreszeiten und Schöpfung würdig vorgeführt werden. Da es in Breslau zu jener Zeit mit der Pflege der Musik außerhalb des Theaters, den erwähnten Richter'schen Liebhaber- und Abonnementsconcerten, den Deutschi'schen Concerten und den, 1688 schon gestifteten, Rinder'schen Charfreitagsmusiken u.s.w. ziemlich schlecht bestellt war, und besonders in Bezug auf Erweckung des feineren Sinns für die reine Tonkunst viel zu wirken blieb, so stiftete der feurig strebende Ebell einen aus Männern von Einfluß, Gelehrten und Musikern bestehenden Verein, der unter dem Namen »Philomusische Gesellschaft« am 30. August 1804 zum ersten Male zusammen trat und Belehrung über Musik und Musikalisches zum Zwecke hatte. Die Hauptmitglieder dieses Vereins waren, außer Ebell selbst, der Professor Siebigk, Prediger an der Reformirten Kirche; Professor Etzler, Begründer des Anfangs einer Singakademie, Prorektor Schummel vom Elisabeth-Gymnasium in Breslau, ein fanatischer Anhänger Bach's und der alten strengen Schule, der sich durch seinen »Breslauer Almanach« um die Kenntniß des Musiklebens Schlesiens große Verdienste erworben hatte; der gute Violinist, Musikdirektor Förster, Lehrer der meisten guten Violinspieler Schlesiens und selbst Schüler des liebenswürdigen Benda. Zu diesen traten später noch: von Holbein, der wegen gediegener dramatisch-musikalischer Aufsätze Aufnahme fand, und endlich der wunderliche, geistig hochbegabte, liebenswürdige literarische Fallstaff Carl Schall, dessen Thätigkeit als Redacteur der Breslauer Zeitung eben so wohl als sein bizarres äußeres Bild, noch[92] im guten Andenken der älteren Einwohner Breslaus steht. Auch er war literarisch in höchst erfolgreicher Weise für den Verein thätig. Die weitaus wirkungsreichsten Mitglieder dieser für das Musikleben Breslaus höchst bedeutungsvollen Gesellschaft, waren aber der schon oben erwähnte Domcapellmeister und Violinist Joseph Schnabel und der talentvollste aller dortigen Musiker, der Ober-Organist an der Elisabeth-Kirche und Universitäts-Musikdirektor Friedrich Wilhelm Berner, ein Mann der bestimmt war auf Carl Maria von Weber's künstlerische Entwicklung großen Einfluß zu üben und ihm sogar das Leben zu retten.

Quelle:
Weber, Max Maria von: Carl Maria von Weber. Ein Lebensbild. Band 1, Leipzig: Ernst Keil, 1864, S. 91-93.
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