König Friedrich v. Würtemberg

[124] Die Lust, die der herrschsüchtige, hochmüthige und gewaltthätige Fürst nach unumschränkter Alleinherrschaft trug, wurde durch Napoleon gereizt, der ihn im Jahre 1804 am 2. Oct. in Ludwigsburg besuchte, und durch plumpe Schmeichelei für sich gewann, obgleich der dicke Herr den Kaiser eigentlich als Emporkömmling verachtete und haßte. Napoleon rief bei der Klage des Herzogs über die Opposition der Landstände gegen seinen Willen aus: »Mais chassez donc ces bougres!« Das war ein dem Kurfürsten zusagender Rath! Als Lohn für seinen Beitritt zum Rheinbunde erhielt er vom Imperator die Besitzungen der Orden in seinem Lande, der Reichsritterschaft, die vorderöstreichischen Herrschaften in Schwaben und den Königstitel König Friedrich verkündete seinem Lande mit großem Pompe die neue Würde, nachdem er zwei Tage vorher die Verfassung aufgehoben, die Stände nach Haus geschickt und die Kassen und Archive der Landschaft in Beschlag genommen hatte. Das Land sah, entsetzt und erschreckt,[124] was geschah und seine dreihundertjährige Verfassung vor der Tamerlan-Willkür eines herrschsüchtigen Souverains zusammenbrechen.

Die bösesten Zeiten Herzog Carls schienen auch sehr bald zurückzukehren und mit ihnen blühten und wucherten die Mißbräuche üppig hervor, obgleich nicht zu läugnen war, daß König Friedrich jenen Fürsten an Geist, Talent und Thatkraft weit übertraf, so stand er doch an ursprünglicher Güte des Herzens ihm nach und an Barschheit, Rauheit, Härte und Rücksichtslosigkeit gewiß nicht hinter ihm zurück.

Selten ist ein Fürst verschiedener beurtheilt worden, als König Friedrich, selten ein Monarch in seinem Lande so allgemein und in allen Schichten der Bevölkerung verhaßt gewesen als er, so daß es schwer fällt. ein ungetrübtes Bild von ihm zu erhalten.

Gewiß ist, daß sein politischer Blick weiter reichte, als der seiner Stände, daß die Verfassungen der freien Reichsstädte in seinem Lande überlebt, die geistlichen Herrschaften dem Volke eine Last, die adligen Reichsstände und die Ritterschaft durchaus von der Zeit überholte und mit Recht halb verspottete, halb verhaßte Institute waren und somit eine radikale Umgestaltung der Verfassung, die Herstellung der Gleichheit der Staatsbürger vorm Gesetz, sich dringend nöthig machte.

Aber als er die Verfassung sobald zerbrach, gab er seinem Volke für eine ungenügende Verfassung zum Austausch nur seinen rücksichtslosen Charakter, für den Druck von Patriziat, Clerus und Adel die schwerere Belastung durch seine Schranzen, Soldaten und das Günstlingswesen und einer absurd organisirten Beamtenhierarchie; für mittelmäßige im Schooße der Stände berathene Gesetze, nur seinen starren oft ungerechten und von Leidenschaften beeinflußten Willen.

Dieß hieß Schlechteres für Schlechtes kaufen! König Friedrich organisirte die Verwaltung des Landes nach dem, schon der Dimension der Länder nach, augenscheinlich unpassenden französischen Muster. An die Stelle des kostspieligen, altwürtembergischen Schreiberwesens trat ein zehnfach theurer Bureaukratismus, dessen Dikasterien, angefüllt mit untauglichen Creaturen von Mätressen, Köchen und Günstlingen, die ihre Stellen gekauft oder noch schändlicher erworben hatten, und meist schlecht bezahlt waren, dem erschreckten Volke wie ein Chaos böser[125] Geister erschienen. Der Richterstand wurde völlig unter des Königs Willen gebeugt, die Urtheilssprüche wurden von den Tribunalen nur der Form wegen berathen, vom Könige aber, der meist die Strafen verschärfte, eigentlich erst gefällt. Er schrieb die Steuern aus und trieb sie rücksichtslos und rauh ein, die Polizeivorschriften, deren Strenge sich durch die Zerrüttung des Sittenzustandes des Landes rechtfertigen mochte, wurden von Personen, die ihr Amt auf den dunkelsten Schleichwegen erlangt hatten, in verletzendster Weise ausgeführt, neue Monopole wurden geschaffen, Salz-, Tabakhandel und Verkehr beutete der König für die Krone, das hieß Hof, Militär und Jagd aus. Besonders schwer belastete er den Brief- und Reise-Verkehr, so daß es kaum mehr erschwinglich war, sich mit einem, der ebenfalls sehr theuren der Königl. Post nicht angehörigen Fuhrwerke, von einem Orte an den andern zu begeben. Zu jeder Ehe eines königlichen oder städtischen Beamten gehörte des Königs persönliche Genehmigung, zu jeder Geldsendung in das Ausland die Gestattung der Regierung; selbst darüber, ob ein Jüngling die Universität beziehen dürfe oder nicht, behielt der König sich die Bestimmung vor und wies sie sehr oft in ganz andere Fächer, als die, welche sie sich erwählt hatten. Das Vermögen der Universitäten wurde zum Staatsvermögen geschlagen, dagegen neue Lehrstühle errichtet, die Zahl der wissenschaftlichen Anstalten und Hilfsmittel vergrößert und berühmte Lehrer oft fürstlich belohnt. Matthisson, Johannes Müller und Spittler adelte und begünstigte der König.

Die Leibeigenschaft ließ er in Würtemberg länger als in den meisten deutschen Ländern fortbestehen, schaffte zwar die Folter ab, hob aber das alte Würtembergische Recht der Freizügigkeit auf.

Wenn aber diese drückenden Einrichtungen alle auch mehr oder weniger alle Schichten des Volkes wund rieben, so hatten doch die meisten einen Schwerpunkt, der diese bald mehr auf dem Adel oder der Geistlichkeit, jene mehr auf dem Bürger- oder Bauerstande lasten ließ, so daß die gegenseitige Antipathie der Stände, sie tragen half.

Obgleich sie daher wohl das Land mit Unmuthe erfüllten, so erbitterten[126] sie doch nicht so tief und im Innersten alle Herzen, als drei andere Willküreinrichtungen König Friedrichs.

Es waren dieß die der Militärconscription, die der Königlichen Jagd und der Rangordnung des Reichs.

Quelle:
Weber, Max Maria von: Carl Maria von Weber. Ein Lebensbild. Band 1, Leipzig: Ernst Keil, 1864, S. 124-127.
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