Louis Spohr bei Weber in Stuttgart

[132] Bald nach Beginn der Arbeiten in seinem Berufe wurde seine Liebe zur Kunst mit wahrer Heimwehsehnsucht durch Louis Spohr's Besuch wieder rege gemacht. Der damals schon berühmte Geiger und Componist fand die Arbeiten Weber's, die dieser ihm zeigte, besonders die Bruchstücke der Oper »Rübezahl« so dilettantenmäßig, daß er den später bedeutenden Musiker darin nicht ahnte. Carl Maria gewann bald einen desperirenden Einblick in die tiefe Zerrüttung der Verhältnisse[132] des Herzog Ludwig, in die chaotische Verwirrung seiner Geld-Angelegenheiten, in das tolle Treiben der stäubenden Rennbahn des Lebens dieses Fürsten, und mag wohl, in seinen Busen fassend, klar begriffen haben, daß er, der im Rechnungswesen Ungeübte, Einundzwanzigjährige, Lebenslustige, in einer Kunstatmosphäre Aufgewachsene, nicht der Mann sei, diese ihrem Untergange zurollende Welt in ihren Achsen zu halten.

Für beide so gewonnenen Anschauungen leisten eine Anzahl Blätter aus den damals im Dienste des Herzogs von Carl Maria geführten Rechnungsbüchern Zeugniß, die eben so klar sein geringes Buchhaltertalent bekunden, als sie auf des Herzogs Lebensform hindeuten, indem sie hauptsächlich Ausgaben für Pferde, Hunde, Peitschen, Reisen, Jagden, von aufzunehmenden Capitalien, Spielschulden, Wein, unzählige Pensionen und Gehalte dunkeln Ursprungs und endlich eine Menge Aufwände großen Betrags aufweisen, die mit nicht zu entziffernden Hieroglyphen bezeichnet sind. Fast kein Monatsschluß ergiebt eine geschlossene Rechnungslegung, fast stets ist eine neue Anleihe nothwendig, mit deren Negoziirung, unter oft ziemlich trüben Verhältnissen, Carl Maria meist beauftragt wurde.

Aber die daher resultirenden Verhandlungen mit Kaufleuten, Lieferanten, Geldwechslern und Juden waren nicht die peinlichsten für Carl Maria.

Wegen des Herzog Ludwig's ärgerlichen Lebens und des ungemessenen Aufwands, den der König nur sich selbst verzieh, stand der Prinz häufig in mehr oder weniger offener Fehde mit seinem königlichen Bruder, der am letzten Ende immer die Hausehre zu retten und zu zahlen hatte.

Quelle:
Weber, Max Maria von: Carl Maria von Weber. Ein Lebensbild. Band 1, Leipzig: Ernst Keil, 1864, S. 132-133.
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