Brief Carl Maria's an Herzog Ludwig

[167] P.P.


Das unbegränzte Zutrauen und die gnädigste Zuneigung, die Ihro Hoheit mir bisher bewiesen, macht es mir zur heiligen Pflicht, Höchstderselben eine Ansicht Ihres sämmtlichen Finanz-Wesens vorzulegen, die, obgleich sie den Unwillen Ew. Hoheit augenblicklich erregen[167] kann, doch bei reiflicher Ueberlegung Ew. Hoheit beweisen wird, wie sehr der Wunsch mich belebt Ew. Hoheit ruhig, unbesorgt, und dem Glanze Ihrer erhabenen Stufe gemäß, in dem Schooße Allerhöchst Ihrer Familie leben zu wissen.

Es ist dermalen eine absolute Unmöglichkeit ein beträchtliches Anlehen zu negociren, kleinere helfen zu nichts und können höchstens die Geschäfte verworrener machen, und dem Rufe Ew. Hoheit schaden, ja selbst ein größeres muß doch immer wieder bezahlt werden, und ist ohne beträchtliche Verluste nicht denkbar.

Ehe ich weiter gehe, erlaube ich mir Ew. Hoheit auseinander zu setzen, was Hochdieselben nach Dero jetzigem Hausstande brauchen. Der monatliche Etat ist auf die runde Summe von fl. 3000, bestimmt, welches jährlich die Summe von fl. 36,000 beträgt. Die Erfahrung hat bewiesen, daß bei der bestberechnetsten Haushaltung, doch wenigstens noch die Hälfte der bestimmten Ausgaben für unvorhergesehene Fälle, als z. B. Ankauf eines Wagens, Reisen, Präsente, Diners etc., anzunehmen sind, welche Summe von 18,000 fl. zu der von 36,000 fl. geschlagen, eine nach dem gegenwärtigen Hausstand absolut nothwendige Gelderforderniß von jährlichen fl. 54,000 beträgt:


Die Appanagen betragen jährlichfl. 33,568

Die Wiesbader Interessen circafl. 3,600

Aus Würtzau kann ich nicht bestimmen

was Ew. Hoheit einnehmen, will

aber gegenwärtig hoch annehmenfl. 20,000

in Summafl. 57,168


Diese Einnahmen decken also gerade den gegenwärtigen nothwendigsten Lebensbedarf. Aber wo ist nun eine Aussicht, oder ein Fond zu Bezahlung der hier befindlichen Schulden? Wie lange wird es dauern, wenn nicht die schleunigsten Maßregeln ergriffen werden, daß Ew. Hoheit den unangenehmsten Auftritten ausgesetzt seyn werden.

Se. Majestät der König haben der Klage des hiesigen Kaufmannes Reinhart Gehör gegeben und ihn an das Ober-Tribunal in[168] Tübingen klagbar verwiesen; sobald gestattet wird zu klagen, muß auch geurtheilt werden, und es ist mit Gewißheit vorauszusehen, daß Ew. Hoheit zu Bezahlung condemnirt, und eben so gewiß ist es, daß alsdann ein Gläubiger nach dem andern auf diesem Weg seine Befriedigung suchen wird. Wo soll dies endlich hinführen, da man keine Gelder zu ihrer Bezahlung anweisen kann? Eine Schuldensumme von circa fl. 60,000 ist nicht so unbeträchtlich. Se. Majestät der König werden sich zuletzt genöthigt fühlen, dem Weg Rechtens seinen Weg zu lassen, werden Ew. Hoheit beschränken, um von dem Geld zu bezahlen, kurz Ew. Hoheit sind in Gefahr förmlich sequestrirt zu werden, und dieses – welch eine Unwürdigkeit für einen so erlauchten Fürsten. Ich wage den Gedanken nicht auszudenken. Hierzu kommt noch, daß der Artikel des Familien-Gesetzes, daß die Appanagen der Prinzen weder verschrieben, noch verpfändet, noch anderweitig angewiesen werden können, in dem Regierungsblatt öffentlich eingerückt worden, und dadurch auch, da wir noch drei Monate bis zum nächsten Quartal haben, und kein Geld mehr da ist, kein Mensch sich damit einlassen will, Geld auf die Anweisung an die Appanage herzugeben, ohne daß solche von dem Generalcassirer acceptirt worden, der es nicht thut, und nicht thun kann, weil auf den Fall, daß Ew. Hoheit, was Gott in Gnaden verhüten möge, mit Tode abgingen, oder daß Ew. Hoheit, gezwungen durch die Umstände, Ihre Appanagen selbst wieder brauchten, er sie nicht vorenthalten könne und dann die Gläubiger sich an ihn hielten.

Es giebt nach meiner Ansicht nur ein Mittel zur Rettung. Ew. Hoheit müssen sich aus eignen Kräften, durch Verkauf unnöthiger Dinge, etc. eine Summe von wenigstens fl. 30,000 verschaffen, hiermit müssen die kleinen Schulden ganz, die größeren zur Hälfte etc. bezahlt werden. Wenn die Leute sehen, daß man den festen Willen, sie zu bezahlen, hat, werden sie sich dann gern gefallen lassen das Uebrige zu 5% stehen zu lassen, wodurch Ew. Hoheit eine jährliche Last von fl. 1500 anheim fällt, die aber nicht von dem Betracht ist, daß Ew. Hoheit nicht bei gänzlicher Reform und Einschränkung des gesammten Hauswesens, in einigen[169] Jahren ganz schuldenfrei und ruhig und zufrieden über Ihre schönen Revenüen disponiren könnten.

Ich fühle freilich wie viel ich wage, einem Fürsten, der gewohnt ist dem Glanze seines erlauchten Standes gemäß zu leben, Vorschläge der Art zu machen, aber das heißeste Verlangen, das mich beseelt, Ew. Hoheit auch ganz Ihrer Würde gemäß vor den Augen der Welt stehen zu sehen, und das feste Vertrauen zu Ew. Hoheit, daß dieselben in meinen Vorschlägen nur die warme Anhänglichkeit des Dieners und nicht seine schwachen Kräfte erwägen werden, bestimmt mich hierzu und drei mal glücklich sey mir der Tag gepriesen an dem Ew. Hoheit es einsehen und zu erfüllen sich entschlossen.

Manches Ihrem Herzen Theure muß zwar vielleicht geopfert werden, aber was thut ein Vater, ein Mann, nicht seiner Kinder, – seines Russ – seiner Ehre willen.


u.s.w. u.s.w.


Aber hier war kein Einhalt mehr zu thun und, als auch die auswärtigen Hilfsquellen versiecht waren, (der Herzog schickte Weber unter andern zur Negoziirung einer Anleihe bei einem jüdischen Handlungshause im Mai 1809 nach Straßburg) wurden die Mittel, zu denen der Herzog in seinen tiefen Verlegenheiten griff, um sich Geld zu verschaffen, immer desperater.

Quelle:
Weber, Max Maria von: Carl Maria von Weber. Ein Lebensbild. Band 1, Leipzig: Ernst Keil, 1864, S. 167-170.
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