Franz Anton v. Weber kommt nach Stuttgart 1809

[163] Hauptsächlich schwer auf Weber's Börse lasteten die häufigen Umzüge des Hofes zwischen Ludwigburg und Stuttgart, denen er, ohne Vergütung zu erhalten, mit seinem ganzen Material zur Führung der Geschäfte des Herzogs und zum Unterrichte der Familie folgen mußte und die Bade- und Erholungsreisen nach Ems, Frankfurt und dem Rhein, die der Herzog mit seiner Gattin und dem Prinzen Paul in dem Sommer 1808 und 1809 unternahm und auf denen ihn Weber begleiten mußte, ohne später die ihm zugesicherte Reiseauslösung zu erhalten. Einen unvorhergesehenen, aber sehr harten Stoß, der fast einem Gnadenstoße glich, erhielten Carl Maria's pekuniäre Verhältnisse durch die plötzliche Ankunft seines Vaters in Stuttgart, der Carlsruhe, wo er gut bei wohlwollenden Menschen aufgehoben war, verlassen hatte und mit seiner Baßgeige auf dem Reisewagen und zwei bettartigen Körben für seine leidenschaftlich geliebten Pudelspitze in demselben, im April 1809 nach Stuttgart hin sich aufgemacht hatte. Er brachte dem entsetzten Sohne, außer seiner unwandelbar geliebten Person, nichts als jene Gegenstände, seine beiden Hunde und eine Last von Schulden mit, unter denen sich sehr dringende Ehrenschulden befanden, die den Sohn mit neuen Sorgen beschwerten. Die körperlichen, besonders aber die geistigen Kräfte des alten Herrn hatten durch eine im Winter 1808 – 9 durchgemachte, schwere, nervöse Krankheit gelitten und von den seelischen Eigenschaften waren ihm eigentlich nur diejenigen geblieben, welche seine Individualität schattirten. Dabei hatte er seine äußere Haltung und die Form seines Wesens fast ganz erhalten, so daß Carl Maria, zu seinem Schaden, erst nach und nach, durch ihm Nachtheil bringende Handlungen seines Vaters, die von völliger Gedächtnißschwäche, Mangel an Urtheilskraft und Distinktionsfähigkeit zeugten, die Verheerungen gewahr wurde, welche die Krankheit und das Alter in diesem sonst so reichen Geiste angerichtet hatten.[163]

Der Vater richtete sich bei ihm häuslich ein, hing die schwebenden Körbe seiner Hunde im Schlafzimmer, das er mit dem Sohne theilte, auf, und brachte, nicht allein durch die Unarten dieser verzogenen Thiere, den feinfühligen jungen Künstler, dessen Geruchsnerven und Gehör krankhaft empfindlich gegen jeden übeln Eindruck waren, halb zur Verzweiflung, sondern wirkte auch auf dessen ganzes Leben und Treiben hindernd und nachtheilig ein, besonders indem er durch gewisse Unliebenswürdigkeiten seines Wesens, die durch die Krankheit noch gesteigert worden waren, die Geselligkeit in dessen Wohnung unmöglich machte und, unter andern, das Quartett des Prinzen Paul mit allem Zubehör von lustigen Abenden und kleinen Vortheilen, daraus verscheuchte.

Quelle:
Weber, Max Maria von: Carl Maria von Weber. Ein Lebensbild. Band 1, Leipzig: Ernst Keil, 1864, S. 163-164.
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