Morlacchi's »Isacco«

[78] Hierdurch ermuthigt, brachte ihm Morlacchi sein neues, von Metastasio gedichtetes Oratorium, »Isacco, figura del redentore«, zur Durchsicht, und da Weber in diesem weit schwächeren Werke, das im Ganzen den Stempel der Nüchternheit und mühsamen Arbeit trug, doch auch hie und da zu Lobendes fand, so bat er ihn sogar, nach dessen Aufführung am Osterheiligenabende, eine öffentliche Kritik darüber zu schreiben, Diesem Wünsche kam Weber, um des guten Einvernehmens willen, nach und lieferte in Nr. 78 der Abendzeitung eine Besprechung des unbedeutenden Werkes, die wir im III. Bande geben und die ein wahres, kleines Muster diplomatisch-künstlerischer Kritik[78] ist, so geschickt weiß er darin, unter schön klingenden, dem Italiener gewiß sehr wohlgefallenden Phrasen, gemischt mit wahrgemeintem Lob über einiges Detail, seine Meinung vom mittelmäßigen Werthe des Oratoriums zu verhüllen, ohne sich, der Würde der Kritik, oder der Wahrheit Etwas zu vergeben. So groß war indeß Morlacchi's Vertrauen in Weber's Redlichkeit doch nicht, daß er ihn nicht gebeten hätte, ihm die Kritik in's Italienische zu übersetzen, ehe sie gedruckt wurde!

Quelle:
Weber, Max Maria von: Carl Maria von Weber. Ein Lebensbild. Band 2, Leipzig: Ernst Keil, 1866, S. 78-79.
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