Sommerleben an und auf der Elbe

[93] Auf das Linke'sche Bad wurden die Mitglieder der Bühne auf Gondeln von Dresden aus geführt, von Pillnitz trieb man oft im Nachen an schönen Sommerabenden herein, liebliche Ruhe lag auf der schönen Gegend, und in Weber wurde die Sehnsucht rege, zwischen diesen Rebenbergen in einem kleinen Landhäuschen allsommerlich einige glückliche Monate zu verträumen. Er gewann sehr bald die freundliche Landschaft, die gesegneten Fluren, die schönen Thäler, die sonnigen Aussichtshöhen um Dresden so lieb, daß dieser Glückstraum, diese Neigung, mehr als einmal das Haupthinderniß seines Weggangs von Dresden sein sollte. Oft gesellten sich zu diesen Gondelfahrten Personen, die nicht zur Bühne gehörten, und ein geistvoll heiteres Gespräch leuchtete beim rauschenden Rudertakte auf, während die Berge und Strom nach und nach in Nacht versanken. Eben so oft veranstalteten die Freunde aus dem Liederkreise solche Partien. Da erzählte denn Heun, Kind oder Weber Novellen aus dem Stegreife, von denen die des letzteren, unbeeinflußt durch die sänftigende Melancholie der Sommerabende, meist voll scharfen Humors, sarkastisch und reich an[93] attischem Salz waren. Oder sanfter Ton von Haase, Haudeck, Fischer und Listing geblasener Waldhörner zitterte über die verglimmende Fläche des Stroms, oder Weber intonirte mit seiner schwachen, wohllautenden Stimme die Lieder, in welche die Andern einfielen, oder er sang auch deren selbst zur Guitarre, in seiner Zauberweise nach Gefallen Lachen und Thränen hervorlockend. Nichtsdestoweniger fand er sich freundlos und einsam in Dresden, wo ihm keine Seele nahe trat, die ihm an Geist ebenbürtig, an Gradheit gleich, durch Gesinnung zur Freundschaft lockend erschienen wäre. Er schreibt, bedrückt durch diese Einsamkeit, an Caroline:


»Den 23. Febr. 1817, Abends 9 Uhr.


etc. Es geht mir natürlich um kein Haar besser, oder wohl eigentlich ein gut Theil schlimmer. Du hast doch ein Haus wo du mit ganzer Seele sprechen und leben kannst, und du Stoffe zur Freude und Belehrung einsaugst, bei mir ist das ganz anders, ich stehe ganz allein. Ist die Arbeit vorüber so stehlen mir langweilige Gesellschaften die Zeit, und bin ich endlich allein so ist die Menge der zu vollendenden Dinge die mich umgeben so riesengroß vor mir, daß ich oft unentschlossen abwiegend, welches das dringendste sei, die Zeit vertrödle und höchstens im Zimmer auf und ab gehend mit dem Gedanken an dich mich stärke und erheitere. Hab ich nun da auch irgend einen Anlaß unruhig zu sein, so sieht es recht trübe mit mir aus, und nur die Hoffnung daß dies alles sich bald ändern, einer ruhigen frohen Zukunft Platz machen muß, erhebt mich und giebt mir Kraft zur Ausdauer. Lieber Mucks, es ist eine Art von peinigendem unbehaglichen Gefühl, wenn man niemand hat an dem man achtend und liebend hinauf sehen kann. Bis jetzt habe ich hier noch nichts ähnliches gefunden, obgleich sehr viel achtenswerthes, aber es steht mir alles zu nahe, sie sind weder viel besser noch viel klüger als ich, und das ist recht fatal. Ich muß jemand haben mit dem ich wetteifern kann, dem ich gern den Rang ablaufen möchte, nicht in der Kunst dazu giebts in der Welt Stoff genug, aber im Leben. Du kannst mir glauben, daß ich da manchmal nach Berlin zurück denke. Nun[94] vielleicht findet sich das auch noch, und habe ich erst einmal Mucks im Hause, dann ists schon gut, und brauch ich nichts mehr.

Mucks wird recht viel lesen, und hören, wird recht brav und klug sein, und ich – freue mich! Da wird Abends ein Thee gemacht und dazu gebabßt und gebußelt, das versteht sich und wie?!!! Wenn ich komme steht Schneefuß schon da, ganz weiß und schön und nett, und hält mir den grauen Joppel, und leidet nicht, daß der ungeschickte Bediente mir ihn giebt. Dann bin ich vielleicht schon mucksch und knurrig, Lina ist aber so ein guter Hanswurst, daß in einer 4tel Stunde die Stirn heiter ist, und ich eben so dummes Zeug mache wie sie. etc.«

Quelle:
Weber, Max Maria von: Carl Maria von Weber. Ein Lebensbild. Band 2, Leipzig: Ernst Keil, 1866, S. 93-95.
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