Weber's Abstraktionsvermögen

[151] Weber verstand die bedeutsame Kunst, ohne die kein Mensch jemals zum großen Manne geworden ist, mit der Thür seines Arbeitszinuuers auch die Last der Welt von seinem Seelenleben abzuschließen. Ja, er besaß sogar eine solche »Arbeitszimmerthür« im eigenen Gehirn, die sich von selbst schloß, sobald er mit seinem Genius Zwiesprache zu halten begann. Im Augenblicke, wo er faktisch oder im Geiste Notenpapier vor sich auflegte und das, was ihm der Genius sang, zu fixiren begann, war alle seelische und leibliche Noth, aller Kummer, ja selbst der zudringlichste dieser fatalen Quälgeister, der Aerger, vergessen. Darum sehen wir später selbst aus den Tagen schmerzlichsten Leidens, wo jeden Augenblick der Puls still zu stehen drohte, seine lebensfrischesten Melodien erblühn, und hier, in unserm Falle, dem Misère der kleinlichen Zänkereien und Aergernisse eine seiner großartigsten, und die vom Irdischen am meisten losgehobene aller seiner Schöpfungen entsteigen.

Quelle:
Weber, Max Maria von: Carl Maria von Weber. Ein Lebensbild. Band 2, Leipzig: Ernst Keil, 1866, S. 151.
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