Weber's Haus

[157] Aber Weber besaß jetzt, außer der Welt der Kunst, auch, seitdem Caroline sein Eigenthum war, noch eine irdische Burg, deren Thor sich unter ihren liebenden Händen sorgsam vor seinen Gegnern, und durch ihre Lieblichkeit selbst vor den Gedanken an ihr Treiben schloß.

»Sie würden«, pflegte er später oft auszurufen. »damals ihre Absicht, mich, der ich von Arbeit, Unruhe und Aerger körperlich sehr geschwächt war, ganz und womöglich auf ewig, los zu werden, sicher erreicht haben, wenn sie gescheidter eine weniger glückselige Zeit meines Lebens zu ihren Bestrebungen gewählt hätten. Der Gifttrank wirkte schlecht, weil die Liebe ihren Balsam hinein goß.« –

Caroline stand in ihrer Blüthe an Leib und Seele. 24 Jahre alt, hatte sie das Leben ihrem Alter vorausgereift, durch Talent und Kunstpraxis Weber zum unschätzbaren »Komischen Rathe« gegeben. Emsig in ihrer Wirthlichkeit, mit drolligem Ernst ihre Pflichten studirend, mit Grazie, Sorgsamkeit und Takt sie übend, verwirklichte sie Weber's Träume von einer stillbehaglichen und behäbigen Häuslichkeit, die sich, nach Bedürfniß, ohne Geräusch und Kostenaufwand, in ein heiteres, stattliches und selbst glänzendes Haus erweitern ließ, in dem die zierliche Hausfrau der hellste, belebendste Strahl war. Mit unendlichem Wohlbehagen und mit dickern Strichen als die Notiz von der ersten Aufführung des »Freischützen«, unterstreicht Weber in seinem Tagebuche die wichtige Nachricht:

»Zum ersten Male aus eigener Küche gegessen!! –«

War nun Caroline eine unendlich liebende, sorgsame, jeden Wunsch und Willen, jedes kleine Bedürfniß des Geliebten mit dem feinsten, an Divination streifenden Instinkt, errathende Gattin, so war sie doch als Wirthin im eigenen Hause, als Trägerin von Weber's Namen, Beförderin seines Interesses noch hervorragender. Sie besaß das reizende, an Hausfrauen nicht genug zu schätzende Talent, Jeden in ihren Räumen heimisch, behaglich und sicher zu machen, errieth mit Geschwindigkeit wie und wo Jedem Angenehmes gesagt und zugewendet werden könne, verstand wahrhaft magnetisch ihre unverwüstliche[158] gute Laune großen Gesellschaftskreisen mitzutheilen, und zu gleicher Zeit gleichsam mit einem Ohre und einem Auge in der Gesellschaft, mit den andern beiden Organen aber bei der Dienerschaft und am Herd zu sein. Einen gewissen Ruf hatte ihre Geschicklichkeit im Anordnen des Theetisches und der Speisetafel erlangt. Beides war gleich geschmackvoll, glänzend und appetitlich, ob sie mit dem Gatten allein am Kamine frühstückte, oder einem Souper für 50 Herren präsidirte. Nach ihrer Anleitung angerichtet, mundeten die Speisen besser, funkelte der Wein goldner. Dieß war für Weber, der die Freuden des Tisches liebte, gern gemüthlich tafelte und dabei sich auch gern am Anblick des wohlschmeckend Gebotenen ergötzte, von hohem Werthe.

Dabei führte sie so sorgsam Buch und Rechnung, prüfte, handelte, suchte Bezugsquellen auf, verstand so gut das Vorhandene oder Bleibende zu benutzen, daß der Aufwand für den Haushalt ein nach Verhältniß sehr mäßiger war. Weber liebte guten Wein und hielt einen ziemlich reichen Keller. Wir besitzen noch Weinverzeichnisse von seiner Hand und die Küchen- und Kellerbücher, die Caroline sorgsamst führte.

Nur für die specielle Ueberwachung der Küche selbst zeigte sie wenig Neigung, verstand auch von den Feinheiten der Kochkunst wenig. Als dieß Weber merkte, und sie, trotz seinen Bitten, nicht den erwünschten Eifer im Erlernen dieser edlen Fertigkeit zeigte, schaffte er plötzlich die Köchin ab und ersuchte die Gattin, eine Zeit lang der Küche mit dem Hausmädchen vorzustehn.

Die ersten, unter Thränen gemachten Versuche in den culinarischen Künsten mißriethen arg, aber Weber verzehrte mit einem Lächeln, das ihm vor verdorbenen Speisen sehr schwer wurde, verbrannte Rebhühner und ungegangene Pasteten, bis das Frauchen Muth und Lust bekam, und es, bei ihrer Fassungsgabe, in wenig Wochen dahin brachte, ihn mit einem Diner bewirthen zu können, wo er zu jeder Speise schmunzelnd mit dem Kopfe nicken konnte. Sie galt später für eine vortreffliche Leiterin der Küche. In gleich energischer Weise bannte er einen bösen Geist, der ihm schon in verflossenen[159] Jahren so manche böse Stunde gemacht hatte, als er auch in seiner Häuslichkeit wieder zu spuken beginnen wollte. Weber war ein treuer Ehegatte und betrachtete den Zweifel an dieser Eigenschaft, der bei der leichtbewegten, jungen Gattin des gefeierten und von geistvollen und schönen Frauen viel umhuldigten Künstlers dann und wann auftauchte, als eine Krankheit, die er mit heroischen Mitteln zu kuriren berechtigt sei. Der Bildhauer Matthäi hatte Weber gebeten, ihm zu einer Büste (die jetzt ihm Handel ist) zu sitzen und Weber beschloß mit diesem schönen Bildwerke Carolinen zu überraschen. Seine ungewohnte Abwesenheit während der häufigen Sitzungsstunden, regte sie argwöhnisch auf und als er ihren Fragen, ja ihren Bitten, endlich auch ihren Thränen ein um so kälter ablehnendes Stillschweigen entgegensetzte, je stürmischer sie in ihn drang, brach fast ihr Herz; sie glaubte die Gewißheit zu haben, daß sie die verrathenste, unglücklichste Frau der Welt sei und blässer und matter werdend, ging sie gleich einer Kranken umher. Es gehörte Weber's ganze Charakterfestigkeit und echte Liebe dazu, dieß Leiden der Theuren zu sehen und doch die schmerzliche Operation fortzusetzen. Als er nun endlich mit der Büste in ihr Zimmer trat, und ihr lächelnd ein vom Professor attestirtes Verzeichniß der Stunden reichte, die er bei ihm zugebracht hatte – war der Seligkeit kein Ende – aber die Krankheit freilich nur palliativ geheilt.

So war die Frau, um die sich fortan Weber's Glücksstern, die Welt seiner Häuslichkeit bewegen sollte.

Quelle:
Weber, Max Maria von: Carl Maria von Weber. Ein Lebensbild. Band 2, Leipzig: Ernst Keil, 1866, S. 157-160.
Lizenz:
Kategorien: