Besuch Louis Spohr's

[211] Mehr als diese flüchtigen Einsprachen nahm Weber, nachdem er im September in die Stadt zurückgekehrt war, und Rossini's üppige »Italiana in Algeri« (2. Oct.) und seines Freundes Fränzel in München wenig ansprechende Oper »Carlo Fioras« (14. Oct.) einstudirt und gegeben hatte, Spohr's Anwesenheit in Anspruch, der sich vom 17. Nov. bis Ende des Monats in Dresden aufhielt, um Concerte bei Hofe zu geben.

Kleinliche Verhältnisse hatten Spohr von der Leitung der Oper[211] in Frankfurt verdrängt und er befand sich 1819 im Begriff nach England zu gehen, auf vorbereitenden Reisen nach Dresden, Berlin und Leipzig. Die beiden berühmten Meister haben, wie schon an andern Orten erwähnt, nie herzlich mit einander harmonirt, wiewohl Weber gerechter gegen Spohr als dieser gegen ihn war. Spohr hat seinen Aeußerungen nach nie begreifen können, worin Weber's große Bedeutsamkeit liege und hat seine Erfolge nur seiner Fähigkeit »für den großen Haufen verständlich zu componiren« zugeschrieben. Ein neuer Beweis dafür, daß große Künstler von sehr ausgeprägter Richtung andere gleichwerthige Talente nicht zu verstehen pflegen. Weber sprach mit Anerkennung von seiner »Jessonda«, doch ließen ihn Spohr's Arbeiten kühl. Als Componisten für die Kenner rechnete er ihn unter die besten und stellte ihn als Geiger über alle andern. Auch bei diesem Besuche in Dresden widmete er ihm, den er seit seinem Durchzuge durch Prag 1813 nicht gesehen hatte, seine volle Thätigkeit zur Erreichung seiner Zwecke und als er am 21. Nov. eine große Gesellschaft der größern Kunstnotabilitäten Dresdens bei sich versammelte und mit Spohr, dessen Gattin der berühmten Harfenspielerin Dorette geb. Scheidler, Polledro, Dotzauer, Peschke und Morgenroth musicirte, Spohr's herrliches E moll Quartett, sein G moll Trio zur Aufführung brachte, trennte sich die Gesellschaft, nach Tiecks Ausdruck, mit dem Gefühle »als habe sie die Klänge einer bessern Welt« gehört. Weber aber notirt in sein Tagebuch: »Spohr ist ein großer Künstler«.

Quelle:
Weber, Max Maria von: Carl Maria von Weber. Ein Lebensbild. Band 2, Leipzig: Ernst Keil, 1866, S. 211-212.
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