Kiel

[256] Spornstreichs eilte er nun, im offenen Wagen, bei strömendem Regen, ohne Aufenthalt nach Kiel, gab dort am 20. Concert, das zwar voll war und ihm nach Abzug aller Kosten 88 Thlr. 20 Gr., aber weit weniger Beifall eintrug, als er zu empfangen gewohnt war. Die Universität verhielt sich fast theilnahmlos, auch wurde er so wenig gut unterstützt, daß er sich bitter darüber gegen seine Gattin ausläßt.

Drei Tage lang hielt widriger Wind das Dampfboot, mit dem Weber nach Kopenhagen gehen wollte, zurück. In halber Verzweiflung über die Verzögerung seiner Reise schreibt er Briefe an seine Gattin, aus denen die Sehnsucht nach ihr, die er leidend in fremder Stadt zurückgelassen hatte, wieder lebendig hervorleuchtet:


»Kiel am 21. Sept. 1820. Abends! 1/25 Uhr.


Mein herzliebes Weib!


Da sitze ich noch ganz stille auf dem Lande, und weiß noch nicht, wenn ich wegkommen werde, da das Dampfschiff noch nicht von Kopenhagen angelangt ist. Der Wind, der mir so günstig hin seyn wird, ist ihm eben aufhaltend her. Nun, man muß Geduld haben, da es jeden Augenblick erwartet wird. Jede Verzögerung ist mir nur gar so schmerzlich, denn je später dort, je später zurück. Der heutige Vormittag ist in Bezahlen, Geldzählen, Einpacken und Abschiednehmen hingegangen. Nach dem Essen habe ich meinen Unmuth zu verschlafen gesucht, und nun plaudere ich mit der guten Mukkin. Meine guten Hausleute bedauern mich und freuen sich zugleich, mich noch ein Paar Stunden länger zu haben. Es sind gar liebe Leute, bei denen ich gar wohl aufgehoben und verpflegt bin. Das erkenne ich gewiß mit herzlichem Danke, aber ich will fort, fort, und wieder zur Mukkin, sie zu umarmen. Dein Brief gestern Abend hatte mich recht trübe gestimmt, und ich hatte Noth nicht diese Stimmung zu sehr Herr über mich werden zu lassen. Das Conzert war recht schön voll. Die Begleitung aber sehr schlecht, da habe ich mich beim Rondo schwer geärgert. In dieser Hinsicht wird von nun an meine Reise wohl ihre schöne Seite[256] bekommen, denn die Städte, die ich nun treffe, sind mit lauter guten Orchestern versehen. Gespielt habe ich übrigens gut; und nach Abzugskosten, die sehr beträchtlich sind, habe ich 87 Thaler übrig. Ist das nicht ehrenwerth für so einen Ort« Nach dem Conzert waren wir noch bei Wiedemanns, wo noch musizirt wurde. O Verzweiflung!!! ich wurde zwar nicht in Anspruch genommen, desto mehr ließen aber die Delinquenten3 ihre Kräfte los, und Terzetten und Duetten aus allen Opern und Sprachen wurden verarbeitet, so daß ich 1000 Mal gern in mein Bett gegangen wäre.

»Du bewunderst meine Schnelligkeit? Das thun alle Leute. Es ist aber natürlich, mich treibt die Liebe, und da theilt man sich jede Stunde ein, und scheut keine Strapatze.«


»Den 22. Sept. früh 7 Uhr.


Das Dampfboot ist noch nicht da. Ich möchte schon vor Ungeduld vergehen. Die Tage sind mir so kostbar, und ich weiß so nicht wie ich mit der Zeit, die ich noch übrig habe, Alles bestreiten soll. Besonders da das Reisen selbst jetzt viele Zeit wegnehmen wird. Freilich hängt da viel vom Wetter ab, ob der October schön und die Wege noch trocken sind. Du kannst nicht glauben, was mir das peinlich ist, so unthätig still sitzen zu müssen. Ich brauche zwar eigentlich noch kein so großes Geschrei zu erheben, denn ich werde bis jetzt nur um einen Tag verspätet. Aber, lieber Gott, was ist ein Tag lang!«


»Abends 8 Uhr den 22. Sept.


Gott sey Lob und Dank; so eben erhalte ich die Nachricht, daß das Dampfschiff glücklich angekommen, und ich um 1/2 10 Uhr mit ihm in See gehe. Wenn du diese Zeilen erhältst bin ich mit Gottes Hülfe schon in Kopenhagen angelangt. Aengstige dich aber ums Himmels und Meinetwillen nicht, wenn ein Brief von Kopenhagen nicht so schnell ankommt als du denkst, denn ich kann ja nicht wissen wie lange ich unterwegs bin, und ob ich dort just auch den Abgang der[257] Post treffe, oder ein paar Tage warten muß. Was will ich laufen und rennen und treiben, um bald wieder in die Arme meiner geliebten Lina zu kommen. Ich segne dich und dein Kind mit innigster Rührung, mein geliebtes Leben. Vertrau mit mir auf Gott. Ewig und ewig dein dich zärtlichst treu liebender


Carl.«

Quelle:
Weber, Max Maria von: Carl Maria von Weber. Ein Lebensbild. Band 2, Leipzig: Ernst Keil, 1866, S. 256-258.
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