[217] Eine Emanation von Weber's regem Ordnungssinne und seines Respekts vor geselligen Rechten und Pflichten war es, daß er eben so pünktlich, wie im Beantworten der Briefe, auch im Abstatten von fälligen Besuchen und Gratulationen war. Er pflegte darüber vollständig Buch und Rechnung zu führen.

Es verstand sich daher von selbst, daß er besonders nie ermangelte, allen Mitgliedern des königlichen Hauses auf's Pünktlichste zu Neujahr und ihren Namensfesten »aufzuwarten« und die Kalender wurden zu diesem Behufe, damit ja niemals eine solche Feier versäumt werde, von ihm und seiner Gattin in musterhafter Ordnung gehalten. Es existiren noch einige solcher Almanache, die er in den letzten Tagen jeden Jahres bearbeitete und die Geburts- und Namenstage der Mitglieder des königlichen Hauses und aller ihm näher stehenden Freunde enthalten. Wohl selten ist es, wie erwähnt, vorgekommen, daß er einen derselben vergaß und nicht entweder in Person oder durch ein freundliches Billet in zierlichster Form seine Glückwünsche dargebracht hätte.

Die Tage um Neujahr füllten sich durch diese Grundsätze mit körperlich wahrhaft aufreibender Geschäftigkeit. Am 1. Januar wurde[217] Morgens zur Cour große Toilette gemacht und die Uniform angelegt. Es konnte nun kaum eine Körperlichkeit geben, die weniger zum geschickten Tragen einer Uniform geschaffen war, als die Weber's. Mit drolligster Feierlichkeit legte er, dessen sehr wohl bewußt, die Kleidungsstücke an. Voll Fleiß und Sorgsamkeit glättete er Escarpins und seidene Strümpfe. Mit Ernst zog er den grünen, goldgestickten Frack über die alabasterweiße Weste, die er mit Handschuhen zuknöpfte, nachdem er in den, zu Carolinen's Pein unendlich zierlich gefältelten Jabot, einen, vom Großherzoge von Weimar erhaltenen, kostbaren Brillant befestigt hatte. Zuletzt wurde die Brille aufgesetzt, das Gesicht in feierliche Falten gelegt und an das schwerste des Ganzen, das Knüpfen der weißen Kravatte gegangen. Langsam und ernst berechnend zog er die Schleifen und Knoten, um, wenn ihm eine recht saubere Rosette gelungen war, vor Vergnügen zu strahlen. Weiße Halstücher zu binden erklärte Weber für das Schwerste, was es gäbe. »Opernkomponiren! Pappenstiel! So eine Rosette soll mir einer nachmachen!« rief er dann Carolinen zu. Selten ging es ohne ein herzliches Gelächter ab, wenn er dann, »im Waffenschmuck«, mit dreieckigem Hut und Degen, vor den Spiegel trat. »Täuschend wie im Wachsfiguren-Cabinet!« lachte er, und in der That paßte sein langes, bleiches Gesicht mit den großen Zügen und der blitzenden Brille so wenig in den hohen Uniformkragen, daß das Ganze etwas gezwungen Maskenhaftes erhielt.

Nach dem Handkusse bei den Majestäten und der Cour bei den Prinzen und Prinzessinnen wurde nach Haus geeilt, in Hast das Mittagessen eingenommen, Toilette gewechselt und bis zum späten Abend das Visitenfahren fortgesetzt. Wir finden in seinem Tagebuche, außer den Hofcouren, oft 20–30 Visiten verzeichnet, die er »im Leibe hatte«, wenn er Abends todtmüde heim kehrte. An alle Mitglieder des Theaters, alle fernen Bekannten, alle Mitglieder des Hofstaats wurden Gratulationskarten geschickt. Nicht weniger sorgsam wachte Weber darüber, daß bei Vertheilung der üblichen Neujahrstrinkgelder Niemand übersehen werde.

So wurden für Weber die ersten Tage mit zu den geschäftvollsten[218] des ganzen Jahres, aber es war ihm ein behagliches Gefühl, daß gleich zu Beginn des neuen Zeitabschnittes Alles so recht genau geschah, was geschehen mußte, um ordentlich, wenn auch in Aeußerlichkeiten, zu beginnen.

Seinem gern an gute und böse Omina glaubenden Sinne war es eine freudige Ueberraschung, daß der erste Brief, den er im Jahre 1820 empfing, einer von Morlacchi war, worin dieser ihm versprach, daß ferner alle Differenzen zwischen ihnen ein Ende haben sollten und er bemüht sein werde, durch Offenheit des Verfahrens sich das Vertrauen seines Collegen zu erwerben. Weber, der so gern dem freundlichen Worte traute, schien es, als verschwände mit diesem Briefe die dunkelste Wolke vom Horizonte seines Wirkungskreises und er eilte, dem Collegen auf's Wärmste zu danken und ihm gleiche Gesinnung zu versichern. Leider sollte sich dieß schöne Uebereinkommen, wie wir gleich sehen werden, in der Praxis nicht bewähren.

Quelle:
Weber, Max Maria von: Carl Maria von Weber. Ein Lebensbild. Band 2, Leipzig: Ernst Keil, 1866, S. 217-219.
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