Alexander Boucher in Weber's Concert

[326] Dasselbe gehörte in seinem Verlaufe zu den interessantesten, die jemals in jenem Saale ertönten. Eingeleitet durch die herrliche Egmont-Ouverture von Beethoven, brachte es von Weber'schen Compositionen zunächst die, von Mad. Schulze meisterhaft gesungene »Arie zu Athalia«, dann spielte Weber, unter großem Beifalle, das am Tage der Freischütz-Auffüh rung vollendete, prächtige Concertstück in F moll, von dem oben die Rede war. Sein zweiter Vortrag erhielt einen pikanten Reiz durch den Umstand, daß der berühmte und in der That eminente französische Violinvirtuos und geistvolle Charlatan, Alexander Boucher, ihn dabei begleitete. Der liebenswürdig drollige Excentriker, der aus dem Umstande, daß ihn »une malheureuse ressemblance« (mit Napoleon) expatriire, Stoff zu den sinnreichsten Reklamen gestaltete, sah in der That körperlich dem großen Kaiser sehr ähnlich. Er behauptete aber mit komischem Ernste, ein eben so großer Feldherr als[326] Jener zu sein, mit dem kleinen Unterschiede, »que mon champ de bataille est la salle de concert – et voilà mon armée!«, dabei schüttelte er seine Geige. Er pflegte, nachdem er Spohr gehört, zu sagen: »Si je suis, comme on le prétend, le Napoléon des violons, Mr. Spohr en est bien le Moreau! –« Er gefiel sich darin, seine ausgezeichnetsten und gediegenen Vorträge durch die künstlichsten Spielereien: Geigen mit dem Rücken des Bogens, unter dem Stege, mit hinter dem Rücken gehaltener Geige u.s.w. zu unterbrechen, oft bis zur Verzweiflung seiner musikalisch hochgebildeten Gattin, der berühmten Harfenspielerin Celesta Gallyot. Heut hatte er sich ausbedungen, in die (1808 componirten) Variationen auf ein Norwegisches Thema für Piano und Violine (D moll), die er mit Weber zu spielen hatte, eine Cadenz eigner Composition einlegen zu dürfen. Auf einen gegebenen Wink Boucher's hielt Weber inne und mit Erstaunen hörte er und das Publikum auf der Geige plötzlich mit Tremolandos und Pizzicatos und noch derberen Kunstgriffen, die dumpfen Paukenschläge beim Auftreten Samiel's nachgeahmt und dann ein wahres Feuerwerk, ein Olla potrida von Themas aus dem Freischütz folgen. Zuletzt, nach überaus extravaganten Modulationen, Arpeggios und Seiltänzersprüngen auf der Geige verlor der gute Mann das Gleichgewicht und konnte auf keine Weise wieder in den ursprünglichen Ton zurückkommen – da, wie von oben inspirirt – legte er die Geige hin – sprang auf den verblüfften, halb ärgerlich, halb lachend dastehenden Weber zu, umarmte ihn vor aller Welt und rief mit lauter, wie von Thränen beflorter Stimme aus: »Ah grand maître! que je t'aime, que je t'admire!« Das erstaunte Publikum faßte sich schnell und nahm diese improvisirte Huldigung so gut auf, daß es sie mit stürmischem Applause und dem Rufe: »Es lebe Weber hoch!« zu der seinigen machte! –

»Molto onore poco contante!« schreibt Weber in seine Notizen über dieß Concert, das ihm im Ganzen 115 Thaler Reingewinn gebracht hatte.

Quelle:
Weber, Max Maria von: Carl Maria von Weber. Ein Lebensbild. Band 2, Leipzig: Ernst Keil, 1866, S. 326-327.
Lizenz:
Kategorien: