Fest nach Aufführung des »Freischütz«

[316] Der festlich erleuchtete Jagor'sche Saal vereinigte nach der Oper eine kleine auserwählte Gesellschaft, die »den Meister feiern« wollte. Die bei der Oper betheiligten Künstler, die Beer'sche Familie, Lichtenstein, der Regisseur Hellwig aus Dresden (der Mitternachts dahin zurückreiste und die erste Kunde des Triumphes brachte), das Pius Wolff'sche Paar, Benedikt, Rellstab, Gubitz und auch E. T. A. Hoffmann waren zugegen. Jubelvolle Heiterkeit, feiernde Liebe für Weber bewegte den Kreis. Bei dem Souper schrieb Gubitz das nachstehende artige Inpromptu nieder.


Wir, an Maria v. Weber.


Inpromptu.


Ei, du immer wackrer Schütze,

Hast den neuen Schuß gethan,[316]

Und der Preis ist festre Stütze

Auf der schwanken Künstlerbahn.

Denn kein Freischuß ist's geworden,

Nicht ein Knall ins Blau hinein.

Um die edle Kunst zu morden:

Künstlers Ziel muß sicher sein.


»Sechse treffen, sieben äffen!«

Doch du lachst der bösen Zahl,

Du fehlst nicht, wie Hinz und Steffen,

Richtig triffst du jedes Mal!

Und du treibest nicht pedantisch

Mit dem eitlen Namen Scherz,

Sei's heroisch, sei's romantisch,

Hier gilt's Eines nur: das Herz.


Ringend mit dem eignen Zweifel,

Wirfst du nieder krit'schen Spott,

Nirgends fasset dich der Teufel,

Denn ihm wehrt dein inn'rer Gott.

Hätt' auch Groll, das Mode-Laster,

Schon die Federn eingetunkt.

Lust ist's, bringen Kritikaster

Zornig manchen Contra-Punkt.


Des Apollo Beistand sicher

Feierst du auch en avance

So wie einst der alte Blücher –

Heut den Tag von Bell' Alliance.

Und so laß dich nimmer äffen,

Nie sei dir der Muth geraubt,

Kannst du öfter sie noch treffen

Sinkt der Lorbeer dir auf's Haupt.


Während er es vorlas, war E. T. A. Hoffmann unbegreifliche: Weise zwischen Carolinen und Wilhelm Beer's schöner Gattin unter dem Tische versunken und im Augenblicke, als Gubitz schloß, tauchte er mit Teufelsmiene hinter Weber mit einem ungeheuren Lorbeerkranze auf, setzte ihm denselben auf's Haupt, und rief, den Eindruck mit greller Differenz störend: »Ist er nicht herrlich wie Tasso?« Seine in den freudig erhebendsten Momenten mit lauter Stimme zum Besten[317] gegebenen Witze über den »Takt des Blinzelns der Eule«, »das Stralower-Fischzug-Feuerwerk«, »die feurige Droschke«, »den aus den Wolken gefallenen Eremiten«, »den Bierbrauer Wauer-Kuno« gingen wie kühler Zugwind durch die hochgemuthete Stimmung und wirkten endlich so erschütternd auf Carolinen's gespannte Lebensgeister, die der Vorfall im Theater mit den ausgestreuten Gedichten schon auf's Schmerzlichste erschüttert hatte, daß sie in Thränen ausbrach und der Kreis sich weniger beglückt trennte, als er gekommen war.

Weber schrieb nur die Worte in sein Tagebuch:


»Abends als erste Oper im neuen Schauspielhause: ›Der Freischütz‹ wurde mit dem unglaublichsten Enthusiasmus aufgenommen. Ouverture und Volksliedda capo verlangt, überhaupt von 17 Musikstücken 14 lärmend applaudirt, alles ging aber auch vortrefflich und sang mit Liebe; ich wurde heraus gerufen und nahm Mad. Seidler und Mlle. Eunicke mit heraus, da ich der andern nicht habhaft werden konnte. Gedichte und Kränze flogen. Soli deo gloria.«


Am dritten Morgen schrieb er zunächst an Friedrich Kind:


Mein vielgeliebter Freund und Mitvater!


Victoria können wir schießen. Der Freischütz hat in's Schwarze getroffen. Hoffentlich hat Freund Hellwig, als Augenzeuge, ihnen schon besser berichtet, als ich es kann, dessen Zeit ganz und gar gestohlen wird. Auch werde ich ja bald mündlich Alles vollständig thun können. Die gestrige zweite Vorstellung ging eben so trefflich wie die erste, und der Enthusiasmus war abermals groß; zu morgen, der dritten, ist schon kein Billet mehr zu haben. Kein Mensch erinnert sich, eine Oper so aufgenommen gesehen zu haben, und nach der Olympia, da Alles gethan wurde, ist es wirklich der vollständigste Triumph, den man erleben kann. Sie glauben aber auch nicht, welches Interesse das Ganze einflößt, und wie vortrefflich alle Theile spielten und sangen. Was hätte ich darum gegeben, wenn Sie zugegen gewesen wären.[318]

Manche Scenen wirkten bei weitem mehr, als ich geglaubt, z.B. der Abgang der Brautjungfern. Ouverture und dieses Volkslied wurden da Capo verlangt; ich wollte aber den Gang der Handlung nicht unterbrechen lassen. Die öffentlichen Blätter werden nun wohl losbrechen. Das erste heute lege ich Ihnen hoffentlich hier bei; die übrigen aber werde ich wohl selbst mitbringen, da ich Montag den 25sten mein Concert zu geben gedenke und den 1sten Julius in Dresden wieder eintreffen will. Das üble Wetter wird Sie wohl abhalten, früher nach Teplitz zu reisen, damit ich sie noch in Dresden sehe und Ihnen erzählen kann; denn beschreiben läßt sich wahrhaftig so etwas gar nicht. Auch bin ich so voll, daß ich gar nichts zu schreiben weiß. Welchen Dank, mein theurer Kind, bin ich Ihnen für diese herrliche Dichtung schuldig; zu welcher Mannichfaltigkeit gaben Sie mir Anlaß, und wie freudig konnte sich meine Seele über Ihre herrlichen, tief empfundenen Verse ergießen. Ich umarme Sie wahrhaft gerührt in Gedanken und bringe Ihnen einen der schönen Kränze mit, deren Empfang ich nur Ihrer Muse verdanke, und den Sie zu den früher schon in so großer Zahl errungenen hängen müssen.

»Gubitz, Wolf etc. nehmen sich sehr herzlich; auf Hoffmann bin ich noch begierig; man will mich immer vor ihm warnen, ich habe aber guten Glauben, so lange ich kann.

Nun ein freudiges Lebewohl für heute; ich will noch an Schmiedel und Roth ein paar Zeilen schreiben. Habeat sibi. Gott lasse es Ihnen wohl gehen, und behalten Sie lieb, wie Sie unendlich hochverehrend liebt,

Ihren

Weber.

Berlin,

den 21. Junius 1821.«


Ein zweites Geschäft Weber's aber war, daß er dem oben erwähnten Gedichte, das so herben Wermuth in seine Freude geträufelt und Carolinen so schmerzlich bewegt hatte, ein ernstes öffentliches Wort widmete. Das Gedicht lautete:[319]


Das Hurrah jauchzet, die Büchse knallt,

Willkommen du Freischütz im duftenden Wald!

Wir winden zum Kranze das grünende Reis

Und reichen dir freudig den rühmlichen Preis.

Du sangest uns Lützow's verwegene Jagd,

Da haben wir immer nach dir gefragt.

Willkommen. Willkommen in unserem Hain,

Du sollst uns der trefflichste Jäger sein!

So laß dir's gefallen in unserm Revier,

Hier bleiben, so rufen, so bitten wir.

Und wenn es auch keinem Elephanten gilt,

Du jagst wohl nach anderem, edleren Wild!


Hier hatte wieder, wie so oft in Weber's Leben, ein wohlmeinender Freund ihm einen bösen Dienst geleistet. Die Anspielung auf Spontini's »Olympia« mit ihrem Elephanten, im vorletzten Verse, war plump und mußte im Augenblicke, wo der Neid über Weber's Triumph schon das Herz des eiteln Mannes schwellte, den allmächtigen Beherrscher der Berliner Theatermusikwelt grimmig gegen ihn erbittern. Daß damit alle Hoffnung auf eine, besonders von Carolinen oft sehnlich gewünschte Verpflanzung Weber's nach Berlin unter glücklichen Verhältnissen schwand, bewegte die kaum genesene Frau tief und schmerzlich.

Weber versuchte dem Wortpfeile die Spitze abzubrechen, so gut es ging und handelte mit Takt und Geschick. Daß es ihm aber nicht gelang, den in Spontini's kleinlichem Herzen aufgestiegenen Verdacht, er selbst habe bei dem Gedichte die Hand im Spiele gehabt, zu begegnen, wird der Verfolg dieser Mittheilungen zeigen.

Weber veröffentlichte in Berliner Blättern, zunächst in der Vossischen Zeitung, nachstehenden Aufsatz:


»Nicht versagen kann ich es meinem tiefergriffenen Gemüth, den innigsten Dank auszusprechen, den die, mit wahrhaft überschwenglicher Güte und Nachsicht gespendete Theilnahme der edlen Bewohner Berlins, bei der Aufführung meiner Oper: ›der Freischütz‹, in mir erweckt hat. Von ganzem Herzen zolle ich freudig den schuldigen Tribut einer[320] in allen Theilen so vollkommen abgerundeten Darstellung und den wahrhaft herzlichen Eifer, der sowohl die verehrten Solosängerinnen, als Sänger, als die treffliche Kapelle und das thätige Chor-Personale beseelte, so wie auch die geschmackvolle Ausstattung von Seiten des Herrn Grafen von Brühl und die Wirkung der scenischen Anordnung nicht vergessen werden darf. Stets werde ich eingedenk sein, daß Alles dieses mir nun doppelt die Pflicht auferlegt, mit reinem Streben weiter auf der Kunstbahn mich zu versuchen. Je mehr ich mich aber dieser Reinheit meines Strebens bewußt bin, je schmerzlicher muß mir der einzige bittere Tropfen sein, der in den Freudenbecher fiel. Ich würde den Beifall eines solchen Publikums nicht verdienen, wenn ich nicht hoch zu ehren wüßte, was hoch zu ehren ist. Ein Witzspiel, das einem berühmten Manne kaum ein Nadelstich sein kann, muß in dieser Weise für mich gesprochen, mehr verwunden als ein Dolchstich. Und wahrlich bei der Vergleichung mit dem Elephanten könnten meine armen Eulen und andere harmlosen Geschöpfe sehr zu kurz kommen.


Berlin, den 19. Juni 1821.


Carl Maria von Weber.«


Schon die nächstfolgenden Vorstellungen des »Freischütz« bewiesen, daß der ungeheure Beifall kein gemachter, die brausend kundgegebene Theilnahme an dem echt deutschen Werke dem Publikum, dem Volke aus dem Herzen quelle und für die deutsche Kunst damit eine wahrhaft entscheidende, siegreiche Schlacht, von unberechenbarer Tragweite der Folgen, geschlagen worden sei. Weber's Weltstellung selbst änderte sich damit. Er hatte die Via sacra zum Capitol des Ruhms beschritten; aus einem Vorkämpfer der Partei war er zu ihrem unbestreitbar besten, sieg- und hoffnungsreichen Feldherrn geworden. Er war im Juni 1821 den Freunden der deutschen Oper das, was Blücher im Juni 1815 dem deutschen Kämpfervolke war.

In den nächsten sechs Monaten erschien der »Freischütz« vor immer gleich voll gedrängtem Hause in Berlin noch 17 Mal und lieferte ein Erträgniß von 13,556 Thlr. Ende 1822 schon erlebte er seine 50. Vorstellung mit 37,018 Thlr. Gesammt-Einnahme.[321] Mit der 200. Vorstellung, am 26. Dec. 1819, hatte die Oper in Berlin ein Erträgniß von 91,000 Thaler geliefert.

Diese Zahlen sprechen!

Quelle:
Weber, Max Maria von: Carl Maria von Weber. Ein Lebensbild. Band 2, Leipzig: Ernst Keil, 1866, S. 316-322.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Aristophanes

Lysistrate. (Lysistrata)

Lysistrate. (Lysistrata)

Nach zwanzig Jahren Krieg mit Sparta treten die Athenerinnen unter Frührung Lysistrates in den sexuellen Generalstreik, um ihre kriegswütigen Männer endlich zur Räson bringen. Als Lampito die Damen von Sparta zu ebensolcher Verweigerung bringen kann, geht der Plan schließlich auf.

58 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier II. Sieben Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier II. Sieben Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Michael Holzinger hat für den zweiten Band sieben weitere Meistererzählungen ausgewählt.

432 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon