Letzter Wille

[329] »Da mich diesen Abend ein ganz eigenes Gefühl dazu drängt, so folge ich meiner inneren Stimme, meine Willensmeinung hierdurch auszusprechen, und festzusetzen wie es nach meinem Tode mit dem mir Angehörigen gehalten werden soll, und sollen diese Zeilen volle Testamentsgültigkeit haben.

Es ist mein fester, und letzter und einziger Wille, daß alles was ich gegenwärtig besitze, oder nach meinem Tode mir noch zufallen könnte, einzig und allein meine geliebte Frau, Caroline von Weber, geborne Brandt, besitzen solle und Sie hiermit zu meiner Uni versal-Erbin erklärt wird.

Meine Brüder und sonstige Verwandte haben nicht das geringste Recht an mein Vermögen, weil ich nichts ererbt, sondern[329] alles erworben habe. Auch ist es meine größte Pflicht stets gewesen dafür zu sorgen, daß meine Frau, die mir zu Liebe ein schönes künstlerisches Talent, das Sie reichlich ernähren konnte, aufgab, eine so viel mir möglich war zu erreichen, gesicherte Zukunft haben möge. Ferner hat meine Frau mir eine ansehnliche Summe baar mitgebracht und fast alles Mobiliar etc. angeschafft.

Da es nun Gott dem Allmächtigen gefallen kann, mich noch heute Nacht hinwegzunehmen, so hege ich zu dem Gefühle meiner Brüder und Verwandten das Zutrauen, daß Sie diesem meinen festen Willen nichts in den Weg legen werden, sollten auch diese Zeilen wegen verabsäumter Formen und Gebräuche etc. oder sonstiger juridischer Einwürfe, nicht eigentliche gesetzliche Form haben.

Und ich würde Jedermann verfluchen müssen, der den Willen zu verhindern suchen würde, den ich stets vor Augen hatte, so lange ich meine geliebte Frau die Meinige nenne.

Gott gebe mir die Kraft, alles auch im Wege Rechtes besorgen zu können. Aber o! Herr! Dein Wille geschehe.

Dresden den 21. July 1821.


Carl Maria von Weber.

Königlich Sächsischer Capellmeister.«


Dieses Schriftstück wurde später durch ein in legaler Form abgefaßtes Testament ersetzt.

Weber's erster Weg nach seiner Rückkunft von Berlin war natürlich zu Kind gewesen, den er nach Teplitz in's Bad verreist fand. Er schrieb an ihn:


»Mein hochverehrter Freund und Mitvater!


Wie traurig war mir zu Muthe, als ich den Tag nach meiner Ankunft, den 2ten Julius, an den Elbberg eilte, so recht vollen Herzens mich zu entladen gedachte und – Alles verschlossen fand. Wie ich dann erfuhr, wo Sie wären, mußte ich freilich dazu Amen sagen und innigst die besten Folgen wünschen, aber mich hin zu setzen und Ihnen zu schreiben, so ganz nahe, dazu konnte ich mich nicht entschließen;[330] denn nun wollte ich einmal erzählen, ordentlich, ausführlich. – Es währt mir aber doch zu lange, und ich muß Ihnen wenigstens einen Willkommengruß zurufen und fragen, wie es geht und wann Sie wieder zurückkommen. Den 27sten ist Liederkreis bei uns. – Ein ganzes Packet Zeitungen erwartet Sie; ich wollte sie erst nach Teplitz zu Ihrer Unterhaltung schicken, ich fürchtete aber die Mauthansichten bei einem solchen Packet Zeitungen, das sie vielleicht nicht hätten passiren lassen. Ich habe seitdem Briefe über die folgenden Vorstellungen, und man schreibt, daß der Beifall, wenn es möglich wäre, sich bei jeder Aufführung steigere.

Der Freischütz ist nach Kopenhagen verlangt zum Geburtstage der Königin, und nach Leipzig. Die andern werden wohl nachkommen! Ich habe nebst meiner Lina große Sehnsucht nach Ihnen; lassen Sie mich ja mit zwei Zeilen wissen, wann Sie kommen, daß ich gleich da bin und mich im voraus freuen kann. Ich umarme Sie und die lieben Ihrigen mit treuer Liebe und bin immer und ewig


Dresden,

den 16ten Julius 1821.

Ihr

Weber


Erst nach zwölftägiger Frist erhielt er Antwort hierauf. Kind war gereizt durch das, fast nur der Composition des »Freischütz« gespendete Lob. Ihm erschienen mehr oder weniger, wie oben erzählt, die Melodien derselben nur wie nothwendige Consequenzen seiner Verse und er meinte daher, Weber hätte mehr, als er gethan, für Berichtigung der öffentlichen Meinung wirken, das Verdienst seines »Mitvaters«, besonders bei dem in Berlin ausgesprochenen Danke, in das rechte Licht stellen sollen. In diesem Sinne lautete sein Brief. Weber, auf's Peinlichste berührt, antwortete ihm sofort:


»Nein! das kann ich nicht 5 Minuten auf mir sitzen lassen (obwohl ein Fremder bei mir ist) und muß gleich meinem theuren, vielgeliebten Mitvater den Kopf waschen. Guter, lieber, hochverehrtester Freund! wie können Sie so ganz übersehen, daß bei diesem Danke doch nur rein von der Aufführung die Rede sein konnte. Jedes[331] Wort, das ich für das Werk selbst gesprochen hätte, hätte ja wie ein Compliment für mich auch mit angesehen werden müssen. Dichter und Componist sind ja so mit einander verschmolzen, daß es eine Lächerlichkeit ist, zu glauben, der Letztere kann etwas Ordentliches ohne den Ersten leisten. Wer gibt ihm denn den Anstoß? wer die Situationen? wer entflammt seine Phantasie? wer macht ihm Mannichfaltigkeit der Gefühle möglich? wer bietet ihm Charakterzeichnung? u.s.w. Der Dichter, und immer der Dichter!

Aber wer macht die Dichter immer unzufrieden? auch wieder sie selbst unter einander. Musiker haben mir hundert Mal gesagt: ›Aber was sind Sie auch glücklich, so ein herrliches Buch gehabt zu haben.‹ – Aber die Dichter haben immer was zu kritteln und haben mich oft teufelswild gemacht, besonders wenn Sie mir hauptsächlich das Verdienst anrechnen wollen, und die ihnen so scheinenden Mängel – nicht. Ich sagte: glaubt Ihr denn, daß ein ordentlicher Componist sich ein Buch in die Hand stecken läßt wie ein Schuljunge den Apfel? daß er Alles so unbesehens hinnimmt und blindlings Töne darüber gießt, froh nur, irgendwo die lang verhaltenen loslassen zu können?

Nein, mein theurer Freund, glauben Sie fest, daß Niemand von größerer Achtung für den Dichter durchdrungen seyn kann als ich; daß ich keinen Augenblick vergessen konnte, daß vor Allem Ihnen der erste Dank von mir gebühre, den ich gewiß treu im Herzen hege und freudig aussprechen will, wo ich kann und sich mir Gelegenheit dazu beut; aber bei dieser Veranlassung, wahrlich, es ging nicht.

Denken Sie sich's einmal recht lebendig, ob es möglich war, von Ihnen zu sprechen, ohne das Werk zu loben; ja, ja ich kann Ihnen nicht helfen, wir sind gar zu sehr in einander gewachsen.

War Ihnen dies schmerzlich, so kann ich Ihnen heilig versichern, daß es mir doppelt schmerzlich ist, daß Sie einen Augenblick an meiner Anerkennung, an meiner dankbaren Liebe und jederzeitigen Erinnerung daran zweifeln konnten. Es hat mir Unzufriedenheit genug erregt, daß man Ihrer Leistung Werth nicht mit eben der Wärme ausgesprochen[332] hat, wie ich ihn fühle. Aber in der Wirkung des Ganzen müssen Sie Ihren Lohn finden und in dem gewiß wahrhaften Danke

Ihres

treuen

Weber.

Dresden,

den 28. Julius 1821.«


Mit diesem wahrhaft liebenswürdigen Schreiben schien für den Augenblick die Angelegenheit ausgeglichen und das gute Vernehmen war äußerlich hergestellt. Kind's Gereiztheit verminderte sich jedoch mit dem steigenden Ruhme von Weber's »Freischütz« keineswegs und sollte, in für Weber nicht weniger schmerzlicher Form, bei einer Gelegenheit hervortreten, auf die wir unten kommen werden.

Aus der, fast nur häusliche Angelegenheiten behandelnden Correspondenz mit Caroline nach Schandau heben wir außer der Notiz, daß Weber, fleißig an den »drei Pintos arbeite« (Duett Nr. 3 und Terzett (H dur) am 8. und 31. Aug. vollendet entworfen), nur die wenigen, allgemein interessanten Stellen heraus.

Am 6. Aug. schreibt er:

Quelle:
Weber, Max Maria von: Carl Maria von Weber. Ein Lebensbild. Band 2, Leipzig: Ernst Keil, 1866, S. 329-333.
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