Personal der Oper in Wien

[418] Als Material für die Darstellung seines Werks fand er die ihm schon bekannte Grünbaum, der er gleich von Anfang her die Parthie der Eglantine bestimmte. Für die Baßparthie hatte er die Wahl zwischen Siebert und dem lüderlichen und tollköpfigen, aber gewandten und tüchtigen Forti, dessen technische Ausbildung als Sänger, Auffassungsfähigkeit und dramatisches Talent Nichts zu wünschen übrig ließen, dessen Stimmmittel aber hinter denen des Siebert zurückstanden. Für die Titelrolle hatte er an Wilhelmine Schröder gedacht, die vor ungefähr einem Jahre vom Schauspiel zur Oper übergegangen war, und deren zarte Weiblichkeit, Nymphengestalt und reizende Stimme wohl seinen Intentionen entsprochen hätten, wenn er nicht entschlossen gewesen wäre, diese Parthie musikalisch ganz aus dem Großen zu[418] schneiden, »und,« schreibt er, wie oben mitgetheilt, an Caroline, »zur Sängerin fehlt ihr noch viel«. Er behielt daher die Ungher, die auch seit circa einem Jahre angestellt war und ihm als Sängerin genügte, obwohl dieser trefflichen Künstlerin wieder manches von dem fehlte, was er für die Darstellung seiner Euryanthe wünschte, im Auge. Er sagt über sie in seinem Tagebuche: »Die Ungher singt recht brav, aber für das Theater und besonders für meine Musik artikulirt sie nicht genug.«

Die Rolle des Helden der Oper konnte er Rosner oder dem, an dem Theater an der Wien angestellten Haizinger, zugetheilt denken. Rosner's Stimme entzückte ihn, doch gab er ihn sofort auf, als er seine Vorliebe für Rouladen und Verzierungen bemerkte, die er in seiner Musik nicht brauchen konnte, und sah, daß er sich auf der Bühne für die Verkörperung des Adolar doch zu anfängerhaft bewegte. Nicht viel besser war er indeß in dieser Beziehung mit dem soliden, philisterhaften Haizinger dran, dem man den Schulmeister, der er gewesen war, bei jeder Bewegung anmerkte. Besonders pflegte er die Füße so ungeschickt zu setzen, daß er mehr als einmal deshalb, mitten in seinen trefflichen Gesangsleistungen, vom Publikum mit Lachen unterbrochen wurde. Weber hoffte, daß er in der Zeit, die noch vor ihm lag, diese Mängel einigermaßen ablegen und dann jedenfalls dem dritten Tenore Jäger (an der Wien) vorzuziehen sein würde, der ihm an musikalischer Bildung zwar wohl, aber nicht an Schönheit der Stimme gleich war und, wie Weber sich ausdrückte: »Gar wie ein buckliger Kater spielte.«

Daß dieß Personal, bei all' seiner Vortrefflichkeit, selbst nach dem Zutritte der Sonntag, doch keinen Vergleich mit der in jeder Beziehung, sowohl in Gesang als Spiel, fast vollkommenen italienischen Truppe Barbaja's vom Jahre 1823 würde aushalten können, war Weber zum Glück verborgen.

Quelle:
Weber, Max Maria von: Carl Maria von Weber. Ein Lebensbild. Band 2, Leipzig: Ernst Keil, 1866, S. 418-419.
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