Verschwinden der deutschen Musik von der Bühne, Erblühen derselben im Concertsaale

[408] Nun hätte zwar Beethoven's Gewicht allein ausgereicht, die Schaale zum Vortheil der allerdeutschesten Musik sinken zu machen,[408] wenn des großen Mannes Genie eine specifisch dramatische Richtung gehabt hätte, anstatt in einer Sphäre zu herrschen, in der der Geist des Wiener Publikums jederzeit ein reiner, mit den vaterländischen Bestrebungen parallel, auf das Höchste gerichteter war. Sein »Fidelio«, zuerst (im Jahre 1805) ganz verneint, gewann nur langsam und bei dem Publikum Boden, das die Stimmung des Concertsaals mit in das Theater brachte, befeuerte nie die Herzen. Spohr's klassisch gearbeitete aber kühle Meisterwerke wollten die warmblütigen Wiener nicht recht packen. Vogler's Einfluß auf den allgemeinen Musikgeschmack ist kaum zu nennen. Die gediegnen, fast im deutschen Sinne wirkenden Franzosen, Gretry, Mehul, Catel, Isouard, gingen in zu schlichtem musikalischem Costüm einher, und so kam es denn, daß die specifisch deutsche Musik, gegen die zwanziger Jahre hin, die Bühne mehr und mehr ihrer glänzenderen südlichen Rivalin zu räumen und sich in Concertsaal und Kirche zurückzuziehen begann.

Unter diesen Verhältnissen konnte die Tendenz des Hofs und Adels, die nie aufgehört hatte, die Oper mehr oder weniger als Amüsements-Institut zu betrachten, wieder mehr als jemals zur Geltung kommen und im großen Publikum Boden fassen.

Quelle:
Weber, Max Maria von: Carl Maria von Weber. Ein Lebensbild. Band 2, Leipzig: Ernst Keil, 1866, S. 408-409.
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