Audienz beim Kaiser Franz

[540] Gleich nachdem der Erfolg der »Euryanthe« gesichert schien, hatte er sich vorgesetzt, den Kaiser in Person zu bitten, die Zueignung des Werkes anzunehmen. Da der sächsische Gesandte, Graf Schulenburg, an den er sich um Vermittelung einer Audienz wandte, jede Betheiligung an diesem Vorhaben von der Hand wies, der kaiserliche Oberstkämmerer, Fürst Trautmannsdorf, aber, dem er bei Schuppanzigh en passant von seinem Vorhaben gesprochen, voll Eifer ihm seine Dienste anbot, so hatte er sich durch dessen Beistand die gewünschte Audienz erwirkt, die aber erst am erwähnten Tage stattfinden konnte. Dieß hielt Weber, der, wie oft erwähnt, auf die Freundlichkeit und den Beifall der Großen viel Werth legte, noch in Wien zurück.

Der Kaiser empfing ihn in seinen Privatgemächern in seiner gemüthlich traulichen Weise und sagte ihm: »Ich habe Ihre Oper halt noch nicht hören können, soll aber schön sein und freue mich, daß Sie an mich dabei gedacht haben. Ich nehm's gern an, wenn Sie's mir dediciren wollen.« Er fragte Weber dann, ob sie ihm das Leben recht sauer gemacht hätten, »die Italiener«. Und als Weber äußerte, daß seine Gegner ihn mehr durch die Vortrefflichkeit ihrer Leistung,[540] als durch Intriguen bekämpft hätten, lachte der Kaiser und sagte: »Ja ja, der Krieg ist aus, aber's Geplänkel hört nit auf! –«

Weber ruft in seinem letzten Briefe an Caroline aus: »Wie human und würdig-einfach ist dieser große Monarch! –«

Für die Dedication der Oper erhielt Weber später eine prachtvolle, mit Diamanten besetzte Dose von hohem Werthe.

Nach wahrhaft schwerem Abschiede von den edlen Schaaren der »Ludlam«, von den Freunden und Genossen und lieben Familien, die ihm wie Kampfgefährten an das Herz gewachsen waren, und hochaufathmend beim Rückblicke auf das stolze Wien und die so tief bedeutungsvolle Zeit, die er dort verlebt hatte, mit dem Bewußtsein, im Bereiche seiner Kunst auf neuen Bahnen zu wandeln, deren Gefahren er vollständig erkannte, deren Betreten aber der Stolz seines Genius von ihm forderte, verließ Weber die Kaiserstadt am 5. November.

Die Kraft der Seele und Geist zugleich in allen Tiefen bewegenden Erwägungen und der Prüfungen des eignen Selbst und von dessen Wechselwirkungen mit der Welt, unter Vermittelung der neuen Kunstrichtung, forderten gebieterisch einige Tage ruhiger und absoluter Abgeschlossenheit, die ihm, wie schon so oft, die Reise liefern mußte.

In den zwei Tagen einsamer Reise nach Prag, die er lautlos, in die Ecke seines Wagens gedrückt, zubrachte, ist wahrscheinlich Weber's Genius in Selbstklärung geschäftiger gewesen, als oft während Composition des größten Werks.

Wer weiß ob »Oberon« die so ganz seinem Talente gemäße Form erhalten hätte, wenn auf jener Reise Opposition oder nur Gespräch die Waage der Selbstprüfung von außen angestoßen hätten.

Weber kam am 7. Nov. nach Prag, wo man ihm die Direktion der funfzigsten Vorstellung seines »Freischütz« in alter Anhänglichkeit aufgehoben hatte. Das Publikum jubelte, als es die bekannte, kleine Gestalt des Meisters im Orchester erblickte, und nach dem Erfolge in Wien erschien das Zujauchzen und Herausrufen hier wie ein Willkommen im traulichen Freundeskreise.

Was wollte aber Alles das gegen die herzzersprengende Freude sagen, mit der er am 10., Nachmittag, durch die mit Winterblumen[541] geschmückte Thür seines kleinen Nestes in Dresden flog und Weib und den kleinen Max an das Herz schloß und alle Sehnsucht ein Ende hatte. – Und Abends saß der Meister, dessen Namen an tausend Orten klang, der sich von halb Deutschland hatte huldigen sehen, im ganz kleinen Kreise, von seiner Caroline, seinem alten Roth, dem bejahrten Fräulein und ihrem Bruder, dem Hauptmann von Hanmann, gebildet, hatte sein »Mäxel« auf den Knieen, speiste Wiener mitgebrachte Brühwürstel und rief einmal über das andre: »Kinder, wie ist mir wohl!!« –

Quelle:
Weber, Max Maria von: Carl Maria von Weber. Ein Lebensbild. Band 2, Leipzig: Ernst Keil, 1866, S. 540-542.
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