Weber werden in Berlin 100 Thlr. nachträgliches Honorar bei der funfzigsten Vorstellung des »Freischütz« geboten

[462] Am Tage der Vollendung dieser kleinen Composition erhielt er einen Brief vom Grafen Brühl in Berlin, der, von einer Sendung[462] Darstellungen der Berliner Freischützkostüme begleitet, neben den erfreuendsten Kundgebungen von Anerkennung und Freundschaft, schließlich, nach Darstellung der künstlerischen und pekuniären Erfolge des »Freischütz« bis zu seiner funfzigsten Vorstellung und der am Abend dieser veranstalteten, kleinen Festlichkeit im Kreise der Freunde Weber's, folgenden Passus enthielt:


»etc. Um indeß diese Gelegenheit nicht vorüber gehen zu lassen, Ihnen stets meine thätige Freundschaft und Anerkennung an den Tag zu legen, ersuche ich Sie, mir sogleich eine Quittung über ›Hundert Thaler‹ als nachträgliches Honorar für den ›Freischütz‹ bei der 50. Aufführung desselben, übersenden zu wollen.«


Diese Taktlosigkeit veranlaßte Weber, in einem Briefe an Lichtenstein vom 11. Jan. zu dem zornigen Ausrufe: »Sollte man es nicht verschwören, in Deutschland Opern zu schreiben!« und zu nachstehender, eben so sein gedachter als geistreich verfaßter Epistel an den Grafen Brühl selbst, die wir, als ungemein charakteristisch für Weber's subtiles Schicklichkeitsgefühl und seine Antipathie gegen alles Unzulängliche und Knausernde, hier folgen lassen.


»Hochgeehrtester Herr Graf!


Allerdings hat mir Herr Pr. Lichtenstein die Beweise der mich innig erfreuenden und rührenden Theilnahme meiner Freunde erzählt, und dabei ausdrücklich gerühmt, mit welcher Vorsorge und Güte Sie, mein innigverehrter Herr Graf, Sich dabei in jeder Weise gezeigt, und das Ganze durch Ihre Gegenwart geschmückt haben. Empfangen Sie dafür, und für die zierliche Weihnachtsgabe der Kostüme, meinen herzlichsten, besten Dank. Werden Sie nun aber nicht zürnen und mich wohl gar dünkelhaft schelten, wenn ich Sie bitte, die Summe von 100 Thlr. ablehnen zu dürfen? Ich bin es seit Jahren so gewöhnt geworden, in Ihnen mehr den ächten Freund der Kunst, alles Guten und Schönen, und den Meinigen – als wie den Vorsteher einer Königl. Anstalt – zu sehen, daß ich nothwendig aus dem Herzen zu Ersterem sprechen muß. Er möge mich bei dem letzteren vertreten.[463] Offenherzig bekenne ich daher, daß mich dieses Anerbieten tief geschmerzt hat. Bei der Oeffentlichkeit, die leider jetzt in der Welt Allem Begleiter ist, kann es nicht fehlen, daß auch dieß bekannt würde. Denken Sie Sich einen Artikel folgenden Inhaltes. – Die in 18 Monaten stattgefundene 50 malige Wiederholung des Freischütz, wurde von unserer geehrten General-Intendanz öffentlich bezeichnet. Dieser in den Annalen des Theaters so seltene Fall verdient auch eine besondere Auszeichnung, zumal, da dem Vernehmen nach diese 50 vollen Häuser der Kasse einen Ertrag von 30,000 Thlr. gebracht haben sollen. Man hat daher dem Componisten ein Geschenk von 100 Thlr. angewiesen. – –

Dieß ist also der Lohn – würde man sagen – die Auszeichnung, die ein deutscher Komponist, der Kapellmeister eines benachbarten Königshauses – in Verhältnissen lebend, die ihn über Geldsorgen erheben – von der 1sten deutschen Königl. Kunst-Anstalt, von dem das vaterländische Talent so warm beschützenden Direktor derselben, erlangen kann, wenn er einen bisher unerhörten Erfolg so erreicht hat. –– Ich, der ich Eurer Hochgeboren Gesinnungen für mich persönlich kenne, weiß wohl, daß dieß nicht Ihnen zuzuschreiben ist; daß Sie, trotz aller Macht und Ansehens, sich auch Verhältnissen beugen müssen, und nach Ihrem Willen, Ihrer Einsicht, mich gewiß ebenso in Verlegenheit gesetzt haben würden durch das Uebermaaß Ihrer Güte, als es jetzt Gegentheils geschieht durch das, zu dem Sie Sich veranlaßt fanden. Aber was soll ich den täglich mich mündlich und schriftlich bestürmenden Anfragen, das Freischütz-Jubiläum betreffend, entgegenstellen? –

Das freundliche Wort von Ihnen, das Bewußtsein Ihrer Liebe für mich, war mir genug. Wenn nichts Andres geschah, lag es gewiß nicht an Ihrem Willen; und dabei wollen wir es auch lassen, so will ich es betrachten, so will ich Jedem antworten. Ich bin nun einmal ein Deutscher, was ist da zu erwarten. Möchten Sie doch, mein verehrtester Herr und Freund, in meiner Seele lesen[464] können, und die todten kalten Buchstaben nicht mißverstehen. Stets wird Dank und Liebe für Sie in mir leben. etc.


Dresden, den 13. Januar 1823.«


Dieser Brief blieb ohne Antwort und die Angelegenheit auf sich beruhen.

Nach seiner Reise nach Wien, im Jahre 1822, hatte Weber darauf hingewiesen, daß die Gewinnung des im raschen Aufblühen begriffenen Talents der jugendlichen Wilhelmine Schröder, für das Dresdener Theater, dem es an einer wirklichen dramatischen Sängerin durchaus gebrach und das überdieß die, als solche geltende Willmann, demnächst verlassen sollte, ein sehr bedeutender Gewinnst sein müsse, ohne indeß mit diesen Bestrebungen bei der General-Direktion offenes Ohr zu finden. Erst nach dem Gastspiele der lieblichen, genialen Künstlerin, im Juli 1822, zu dem Weber indirekt die Veranlassung gegeben hatte, und nachdem die Stelle der nach Kassel abgehenden Willmann wirklich erledigt worden war, geschahen in dieser Richtung gehende und schnell zum Ziele, dem Engagement der Wilhelmine Schröder, führende Schritte. Mit Schluß des ersten Quartals 1823 sollte ihre Thätigkeit bei der Dresdener Bühne beginnen, und Weber sah sich dadurch, zu seiner großen Freude, nun in den Stand gesetzt, das große dramatische Werk seines olympischen Kunstgenossen, Beethoven, den »Fidelio«, in Scene gehen zu lassen.

Quelle:
Weber, Max Maria von: Carl Maria von Weber. Ein Lebensbild. Band 2, Leipzig: Ernst Keil, 1866, S. 462-465.
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