[638] Je näher wir beim Beschauen von Weber's Leben der herben Katastrophe kommen, die das Dasein dieses großen Künstlers und edeln Menschen beschloß, um so schmerzlicher bewegt uns der Anblick des heißen und fruchtlosen Kampfes, den ihn glühende Liebe zu den Seinen, zur Kunst, zum Ruhme mit den unerbittlichen und unheimlichen Gewalten einer unheilbaren Krankheit und der Ungunst des Geschickes schlagen läßt.

Das volle Bewußtsein, in die Reihen der Besten seines Volkes eingetreten zu sein, der Anblick des heißersehnten Lorbeers, den ihm die gebildete Welt mit fast einstimmigem Zurufe reicht, die Ueberzeugung, das Seinige auf Erden im vollsten Maße gethan zu haben – alles das gilt und ist herrlich und gut, aber die in fieberischer Hast arbeitende kranke, enge Brust hat nicht Raum und nicht Zeit mehr, sich in Freude geschwellt zu heben. Mit qualvollem Bewußtsein berechnete er die Zahl der ihm noch gegönnten Athemzüge, und da blieb kaum Zeit zum Blick auf das sonnige Bild des Errungenen.

Die Ueberzeugung, daß er keinen Augenblick und keinen Pulsschlag Lebenskraft zu verlieren habe, wenn es ihm gelingen sollte, den mit seinem Leben bezahlten Ruhm in so viel Gold auszumünzen, daß Weib und Kind nicht hungern müßten, wenn er die Augen geschlossen, ist in den letzten Monaten von Weber's Leben als Grundton seines ganzen Handelns anzusehen.

Es leidet dieß zunächst Anwendung auf sein Verhalten, dem Dichter der Oper gegenüber, mit der er eben beschäftigt war, besonders wenn man dasselbe mit dem endlosen Verkehre mit der Verfasserin der »Euryanthe« vergleicht. Weber bat an Planché nur drei Briefe von einiger Bedeutung in Bezug auf den TeXt des »Oberon« geschrieben und kaum zehn Mal mit ihm darüber gesprochen, während die Correspondenz[638] mit Frau von Chezy einen mäßigen Band bilden würde und die Conferenzen mit ihr tagelang dauerten. Es ist der Grund hierfür nicht in der Vortrefflichkeit des Planché'schen Textes zu suchen, sondern in dem festen Vorsatze, die Oper, die in England Geld werben sollte, auf jeden Fall so schnell möglich fertig zu machen und aufzuführen. Von der Sorgsamkeit, mit der Weber vor Composition der »Euryanthe« das Publikum, die Sänger, die musikalischen und Theater-Verhältnisse Wiens studirte, finden wir vor der Schöpfung seiner letzten Oper, die, trotz alle dem, der Genius der Kunst unter seinen eigensten Schutz nahm, keine Spur.

Quelle:
Weber, Max Maria von: Carl Maria von Weber. Ein Lebensbild. Band 2, Leipzig: Ernst Keil, 1866, S. 638-639.
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