Weber's erstes öffentliches Erscheinen in London

[664] Kaum angekommen, drängte es Weber, sofort das Theater, in dem er wirken sollte, die Anordnung des Orchesters, den Raum der Scene etc. kennen zu lernen. Er fuhr Abends mit Smart dahin. Beauftragte der Theater-Unternehmer hatten das Gerücht im Publikum verbreitet, daß Weber diesen Abend in Kemble's Loge erscheinen werde. »Rob Roy«, ein Schauspiel nach Walter Scotts Roman, wurde gegeben, das Haus war gedrängt voll. Größte Stille herrschte und Alles starrte mit gespannter Aufmerksamkeit nach der Loge des Direktors hinaus. Weber, der heute einen Beweis seiner unvergleichlichen Popularität erhalten sollte, trat, nichts ahnend und sich völlig unbemerkt glaubend, ganz vorn an die Balustrade und beugte sich vor, um Haus und Scene zu sehen. Da rief eine Stimme: »Das ist Weber, Weber ist da!« – und es brach ein solcher Sturm von Zuruf, Applaus, Hüte- und Tücherschwenken aus, daß Weber, der es nicht für möglich hielt, daß ihm dieß gelte, sich erstaunt nach der Ursache des Lärmens umsah, bis er seinen englisch ausgesprochenen Namen in den tausendfachen Zurufen erkannte und, von der Huldigung des fernen, großen, freien Volks tief ergriffen, aus der Loge dankte. Nun schrie das Publikum nach der Freischütz-Ouverture, die sofort gespielt werden mußte und worauf der Lärm und Jubel wieder losbrach, so daß Weber es vorzog, sich bald zu entfernen.

Er schreibt am 7. an Caroline nach einer Schilderung des Empfangs:


»etc. Ich muß auch gestehen, daß es mich wirklich überrascht und ergriffen hat, obwohl ich was gewöhnt bin und ertragen kann. In solchen Augenblicken wüßte ich nun nicht, was ich darum gäbe,[664] wenn ich dich an meiner Seite haben könnte, denn eigentlich hast du mich noch gar nicht im fremden Ehrenkleide gesehen. Nun, mein geliebtes Leben, kann ich dir auch freudig versichern, daß du wegen Sänger und Orchester ganz ruhig sein kannst. Miß Paton ist eine Sängerin vom allerersten Range, die die Rezia göttlich singen wird. Braham desgleichen, aber in ganz anderer Art. Dann sind noch andere sehr gute Tenoristen da, und ich begreife nicht, was die Leute Uebles dem englischen Gesange nachsagen. Die Sänger haben vollkommen gute italienische Schule, schöne Stimmen und Ausdruck. Das Orchester ist nicht ausgezeichnet, aber doch recht brav. Die Chöre recht gut. Kurz, ich glaube jetzt schon über den Erfolg des Oberons sicher sein zu können.

Nachdem ich zwei Akte des Robroy gehört hatte, ging ich in's Concert Hanover Square, wo alle ersten italienischen Sänger sangen, unter andern Veluti. Die Paton, die später nach der Oper kam, und auch hier noch eine große Arie sang, schlug sie Alle auf's Haupt. Da hörte ich auch Kiesewetter und viele Andere. Sind das die kalten Engländer, die mich so aufnehmen? es ist unglaublich mit welcher Herzlichkeit! – etc.«


Und doch sollte dieß nur das Vorspiel zu den jubelvollen Huldigungen sein, die ihm beim Eintritte in das Orchester der »Oratorien« begrüßten, wo ihn alle vollzählig versammelten Musiker und Sänger mit Tusch, Geschrei und Hurrah empfingen, alle ihn umdrängten und alle nach der Ehre eines Händedrucks geizten, vor allem aber des gewaltigen und organisirten Willkommenssturmes, der ihm zu Ehren losbrach, als er am 8. März zum ersten Male officiell vor dem Publikum am Dirigentenpult des Covent-Garden-Theaters erschien, um in einem »Oratorien-Concert« zwölf Stücke seines so schändlich gemißhandelten »Freischütz« in ihrer wahren Gestalt aufzuführen. Das Publikum war wie bei einer Festvorstellung im Schmuck. Auch hier herrschte Todtenstille, bis S. G. Smarts kräftige Gestalt den kleinen, bleichen, schwarzgekleideten Mann auf die Scene führte. (Bei den Oratorien-Concerten stand das Orchester auf der Scene.) Da[665] erhob sich das ganze Haus wie ein Mann, wie aus einem Munde schallte der Name des bescheidenen deutschen Künstlers aus tausend britischen Kehlen, die so selten dem Fremden zujauchzen, die Männer schwenkten die Hüte, man stieg auf die Bänke, die Frauen wehten mit den Tüchern, und so brauste und tobte es eine volle Viertelstunde, während deren Weber mit niedergeschlagenen Augen, noch bleicher als sonst, sich an einem Pulte festhaltend und sich von Zeit zu Zeit verbeugend, in Mitten der tobenden Masse stand, denn sein ganzes Orchester hatte sich, nach englischer Sitte auf die Instrumente klopfend, dem Lärm der Ovation angeschlossen.

Dann erst konnte er die Hand erheben, um das Zeichen zum Anfang zu geben. Er hatte eine Papierrolle ergriffen und dirigirte nach deutscher Weise. Ouverture und fast alle Nummern des »Freischütz« mußten wiederholt werden. Braham sang den Max, Miß Paton die Agathe mit Begeisterung. Bei dem Beifallsturme reichte Weber den Sängern die Hände, um anzudeuten, daß ihnen der Hauptruhm gebühre. Das Concert dauerte bis 1/22 Uhr Nachts.

Moscheles sah Weber nach dem Concert im Foyer. Er saß mit mattem Blick, doch glücklich lächelnd, in Mitten einer Masse von Kunstenthusiasten. Er drückte Moscheles die Hand mit den Worten: »Wüßte sie es doch daheim!«

Den Brief an Caroline über diese außerordentlichen Erfolge schließt er mit den Worten:

»An Lüttichau alles Achtungsvolle, nach meiner Oper schreibe ich ihm gewiß, sage ihm, daß mich die ganze Weltehrt – nur mein König nicht.«

Man hatte ihn in diesem Concerte husten gehört und den Tag darauf wußte sich Smart's Dienerschaft nicht vor all' den Sendungen von Gelees, Confituren und hustenlindernden Mitteln zu helfen, die ihm die halbe Stadt zuschickte.

Das damals noch nicht gehörig gereinigte Gas, mit dem die Londoner Theater beleuchtet waren, belästigte seine Brust ungemein, dagegen sagte ihm die englische, kräftige, anregende Lebensweise ungemein zu und er schildert sein Essen und Trinken mehrfach mit behaglicher[666] Breite in seinen Briefen an Caroline. So schreibt er unterm 12. März:

»etc. Aha, da kommen die Austern! – Ach lieber Gott, könnte ich dich doch herzaubern. – – Das hat gut geschmeckt. Von solchen Austern haben wir doch keinen Begriff auf dem festen Lande. Dann einige Schnitten Schöpsbraten und ein Schluck Porter – delikat. Die englische Küche behagt mir sehr wohl in ihrer kräftigen Einfalt. Die Trefflichkeit des Fleisches und Geflügels ist unbeschreiblich. Ich habe ohne Uebertreibung Kapaunen von der Größe unsrer mittelmäßigen Gänse gesehen. Dann das Fleisch von einer Zartheit – saftig – nu! Gewöhnlich werden 3 bis 4 Gerichte verdeckt zugleich aufgesetzt. Das ist außer Suppe, ein großer Rinds- oder Schöpsbraten, ein Fisch, ein Kapaun, und einige Gemüse. Dann kommen verschiedene Arten Puddings. Schinken, Pastetchen u. dergl., dann ein ungeheurer Käse, Früchte aller Arten, besonders herrliche portugiesische Orangen, von einer Süßigkeit, wie wir sie nie bekommen. Das dauert alles nicht sehr lange etc. Ist alles verzehrt, so wird abgeräumt und nur Weinflaschen und Früchte bleiben stehen. Ich versichere dich, daß alles dieß recht angenehm und auf Geselligkeit berechnet ist und daß einem die französischen Sitten sehr egoistisch gegen die englischen vorkommen. Du siehst, das Frühstück hat mich ganz in Enthusiasmus versetzt. – – etc.«

Quelle:
Weber, Max Maria von: Carl Maria von Weber. Ein Lebensbild. Band 2, Leipzig: Ernst Keil, 1866, S. 664-667.
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