Vorwort zu: J.G.W. Schneider's Trio für 3 Claviere.

[63] (27. August 1812)


J.G.W. Schneider ist, wie alle Menschen, die ein Höheres in der Kunst ahnden, als den gewöhnlichen Zweck blos angenehm zu unterhalten, häufig und besonders von den ihn zunächst Umgebenden verkannt worden. Die Wenigen, die das wahrhaft Geniale in seinen Arbeiten herauszufühlen vermochten, waren enthusiastisch für ihn eingenommen und die kalten blos nach einmal hergebrachten Formen Aburtheilenden, ließen sich durch manches Dunkele, vielleicht sogar Verworrene in seinen Arbeiten, durch das noch unausgesprochene Streben des sich neuen Weg bahnenden Talents, bestimmen, bloßes Haschen nach Neuheit und planloses Spiel in Schneiders Schöpfungen zu finden.

Nur lange Erfahrungen leiten auf jene Klarheit, die im Stande ist, neuen Ansichten und Ideen auch eine Form zu verleihen, die[63] deutlich sich vor den Zuhörer stellt, und in keiner Kunst ist es wohl schwerer, ein recht vollendet abgerundetes Ganze mit Mannichfaltigkeit und doch befriedigender Freiheit zu erzeugen, als in der Musik. Das Schicksal versagte Schneider in jeder Hinsicht jene günstigen Umgebungen und Verhältnisse, die anfeuernd und zugleich ungestört genug den Geist zur Reise kommen lassen.

Vor allem war seine Gesundheit in einem so bedauernswürdigen Zustande, daß er höchst selten frei und ungeängstet von körperlichen Leiden, seiner Phantasie Raum geben konnte. Ein langsames Abzehren endete sein Leben. Vorliegendes Trio war seine letzte Arbeit, die er wenige Tage vor seinem Tode vollendete, und im wahrhaften Todeskampfe und dem nur noch schnell zuweilen aufblitzenden Kunstfeuer ward sie geschrieben, und deutlich ist dies an derselben zu bemerken. Ref., der durch Zufall Gelegenheit hatte, näher mit Schneiders Arbeiten vertraut zu werden, und manches Urtheil über sein ausübendes Talent von urtheilsfähigen Männern hörte, glaubte aus obenerwähnten Gründen, den Spielern und Beurtheilern dieses Trio's die geschichtliche Notiz ihrer Entstehung nicht verhehlen zu dürfen, um dadurch einen richtigeren Gesichtspunkt zu Beurtheilung desselben aufzustellen, und mancher schiefen Ansicht zuvorzukommen. Der Kunstrichter und das Publikum haben zwar nicht nöthig, sich nach der Entstehung eines Kunstwerkes zu erkundigen, sondern dasselbe soll sich selbst rein aussprechen, wo es denn darauf ankömmt, durch einen kleinen Fingerzeig etwas zur Rechtfertigung eines talentvollen Künstlers beizutragen, und wo es wie hier so interessant ist, dem letzten Auflodern desselben Schritt vor Schritt zu folgen, wird die Kritik Rücksicht nehmen, und der Psychologe Stoff für sich finden. Es wäre hier nicht an seiner Stelle, eine Beurtheilung des Trio's niederzulegen, Ref. begnügt sich bloß zu bemerken, daß Schneider selbst die Menuett für das Gelungenste hält, nächst diesem das erste Allegro, welches bis auf den Schluß in einem schönen Guße fortgeht. Das letzte Allegro entstand ganz stückweise und Schneider änderte sehr viel und oft daran, es kostete ihm auch viele Anstrengung und sein Körper vermochte nicht mehr anhaltendes Denken zu ertragen.[64] Es ist daher am meisten Stückwerk und nur einzelne lichte Stellen durchfliegen es.

Möchten alle Leser dieses, gegenwärtiges Trio als die letzten Anstrengungen eines genialen Menschen ansehen, der leider der Welt zu früh entrissen wurde, als daß sein noch etwas zu wenig unter die Obhut einer ruhigen Anschauung gebrachtes Genie, mit jener Klarheit und unentstellt sich hätte aussprechen können, wodurch die Werke der Meister sich als solche bewähren.

Quelle:
Weber, Max Maria von: Carl Maria von Weber. Ein Lebensbild. Band 3, Leipzig: Ernst Keil, 1866, S. 63-65.
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