Ueber: »Heinrich der Vierte und d'Aubigné«,

[224] Oper von Marschner.


(7. Juli 1820.)


Es ist eine eigene, feierliche Sache um das erste Erscheinen eines Componisten vor dem größeren Publikum. Wie viel hängt von dem Erfolge desselben für ihn ab! Wie leicht kann ihn ein Mißlingen irre an sich selbst, an seinem Berufe machen![224]

Kommt ihm gleich, als sich Neuversuchendem, eines Theils die Nachsicht der Hörer zu Gute, so ist ihm dagegen die Nichtbeachtung und die sich nicht tief eingehender Aufmerksamkeit hingebende Stimmung derselben, einem unberühmten Namen gegenüber, fast noch verderblicher, besonders wenn ihn sein Talent auf eigener Bahn führt, die natürlich anfangs des Unebenen und noch nicht ganz zweckmäßig Geordneten Manches haben muß. Das eben ist des Rufes größter Vortheil, daß die Erzeugnisse des Namens, den er mit seinem Glanze hervorhebt, mit sicherer Erwartung von etwas Vorzüglichem empfangen werden, und man selbst Sonderbarkeiten mit der schon einmal hegenden Achtung in's Gleichgewicht zu bringen und ihren Grund aufzusuchen sich die Mühe nicht verdrießen läßt.

Nun, nicht Jedem wird es so gut, vor einem Dresdner Publikum seinen ersten Ritterdank verdienen zu dürfen.

Ein wahrhaft vaterländisches Erzeugniß tritt in die Schranken. Heinrich Marschner, geboren 1794 in Zittau, ist der Componist der Oper: Heinrich der Vierte und d'Aubigné, die den 12. Juli 1820 zum Erstenmale auf dem Königl. Theater erscheint. Mit Freuden wird man den Landsmann mit lebendiger, eigenthümlicher Erfindung, blühender Melodie, und reicher, fleißiger Ausführung ausgestattet sehen, und ich erlaube mir, meiner Seits den Glauben auszusprechen, daß uns aus solchem Streben nach Wahrheit, aus so tiefem Gefühle entsprungen, ein gewiß recht achtungsvoller dramatischer Componist erblühen wird.

Im neunten Jahre trat Marschner in's Gymnasium und den Sing-Chor zu Zittau ein. Er wurde bald Conzertist, und schon in diesem Alter entzündeten ihn die Werke unserer besten Meister, daß er oft schnell nach Hause lief – um auch so etwas zu machen – aber ach! es war ja nicht einmal Gelegenheit da, den Generalbaß zu erlernen. Da kam Hering nach Zittau und ertheilte dem Wißbegierigen, wenn auch nur selten, Unterricht. Nach so nur etwas gebrochener Bahn, suchte er selbstforschend in Büchern und Partituren zu lernen. 1813 ging er nach Prag und Leipzig. Dem Hören[225] größerer Werke und der Gewogenheit unseres trefflichen Schicht glaubt er fast Alles zu danken zu haben. Seine Ideen wurden heller, die dunklen Bilder traten in's klare Bewußtsein. Einige Sonaten, Kantaten und Lieder u.s.w., die er hier schrieb, erschienen auch in der Leipziger Musikhandlung. Aber die Oper, und in ihr Mozarts Genius, zogen ihn vor Allem an. Er ging Anfangs 1816 nach Wien, und nahm bald darauf ein Engagement bei dem Grafen Joh. Zichy in Preßburg an, wo er Muse hatte, größere Werke anzufangen. Aber wo ein Buch hernehmen? aus Verzweiflung und im Drange, die Flügel zu regen, bearbeitete er die der Leipziger Ausgabe beigefügte deutsche Uebersetzung der Oper: Titus. Natürlich auf ewig von ihm vergraben. Im November 1816 componirte er den Kyffhäuser Berg in 1 Akte, und endlich 1817 erhielt er von Heinrich Alberti (ich glaube, der nicht unrühmlich, besonders in Baiern, gekannte Dichter Ekkschlager) das Buch zum Heinrich. 1818 schrieb er die ernste Oper: Saidar, von demselben Dichter, die in Preßburg mit Beifall aufgenommen wurde, und hoffentlich künftigen Winter dem Publikum Gelegenheit geben soll, in den verschiedenen Gattungen der Conversations- und ernsten Oper seinen Mitbürger beurtheilen zu können.

Quelle:
Weber, Max Maria von: Carl Maria von Weber. Ein Lebensbild. Band 3, Leipzig: Ernst Keil, 1866, S. 224-226.
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