Schreiben an Herrn Aloys Fuchs[232] 18 in Wien.

(27. Mai 1824.)


Durch das hingebende Vertrauen mit dem Sie mir nahen, fühle ich mich berechtigt zu Ihnen mit jener Offenheit zu sprechen, die man überhaupt dem Leben und der Kunst schuldig ist, die aber in ihrer Ungeschminktheit leicht von einem heißen, jugendlichen Gemüthe für Kälte und Härte angesehen wird. Ich wünsche daher zu Ihrem Besten und zu meiner Beruhigung, daß Sie alles was ich Ihnen sage dem herzlichsten Wohlwollen entsprungen glauben mögen.

Sie wollen Sich der Kunst weihen. Es ist meine Pflicht Sie auf die unendlichen Schwierigkeiten aufmerksam zu machen, die Sie dann zu überwinden haben. Ich kenne das Talent nicht, das Ihnen Gott verliehen hat, ich weiß nur, daß selbst das außerordentliche noch der günstigen Umstände bedarf um Bedeutendes zu leisten und in der Welt etwas zu gelten. In Ihrem Alter, wo das kritische Vermögen schon immer sehr die Oberhand gewonnen hat (bei mehr Bildung, um so stärker), ist es ungemein schwer, Rückschritte zu thun und den technischen und grammatischen Theil der Kunst auf solche Weise und mit solchem Erfolge nachzuholen, daß man nicht ob der Anstrengung erlahmt, oder irre an dem eigenen Talent wird. Man weiß schon zu sehr, was und wie die Kunst wirkt, als daß man sie blos um ihrer selbst willen in der Unschuld triebe, die am Ende allein die Herrschaft über alle Mittel giebt. Man will gleich selbst Wirkung hervorbringen; man singt nicht seiner selbst unbewußt wie der Vogel, weil er nun eben Vogel ist, man hat den Erfolg des Sanges gesehen, und will ihn auch erzwingen.[232]

»Die Sache geht von Außen nach Innen, statt daß sie ihrer wahren Natur nach von Innen nach Außen gehen soll. Zugegeben, daß Ihre Anlagen und Ihr Fleiß dieß Alles überwinden, und Sie ein tüchtiger Künstler werden. Sind Sie denn auch schon überzeugt, daß Sie es auch der Welt werden beweisen können, daß Sie nicht dem Drucke der tausendfältig dem Künstler entgegentretenden Verhältnisse erliegen? Wie manches Große geht so unter, und wer weiß, ob nicht Mancher, der auf eine Höhe gelangt ist, mit Freuden seinen Ruhm für das hingäbe, was er ihn gekostet, und was täglich mit zunehmendem Drucke auf ihm lastet, ihn sich und den Seinigen und am Ende auch der Welt vielleicht raubt. Was giebt das wirkliche Leben denn dem Künstler? Und wie darf er hoffen, durch seinen Stand sich einen Platz im bürgerlichen Verhältnisse zu erwerben?

Sind Sie ausübender Künstler; – ein Platz in einer Kapelle, der schwer zu erlangen, auf jeden Fall dürftig besoldet ist, oder ein Geist tödtender Lebenserwerb durch Unterrichtgeben, sind Ihre Aussichten.

Sind Sie Componist? Welche Jahre gehen darüber hin, ehe das Publikum Sie beachtet, Verleger Sie bezahlen, Direktionen Ihre Werke aufführen. Im glücklichen Falle doch wieder eine kärgliche Existenz.

Es giebt Ausnahmen von allem diesen; aber was berechtigt Sie zu glauben, dazu zu gelangen? Und wodurch sind diese Ausnahmen glücklich? Nur indem, wodurch es jeder tüchtige Mensch ist! In dem Gefühle der erfüllten Pflicht nach Vermögen und Einsicht, und dem ruhigen Vertrauen auf Gott in allen Anfeindungen, Verkennen ihres redlichen Wollens, und leichtsinnigen Ueberschätzungen oder Nichtbeachtungen der Welt.

Nehmen Sie alles hier Gesagte weder für ein Ab-noch Zurathen. In solchen für das ganze Leben entscheidenden Fällen muß die innere Stimme der einzige Richter sein.

Beharren Sie bei Ihrem Entschlusse, so rufe ich Ihnen aus[233] Grund des Herzens die besten Wünsche zum Gedeihen Ihres Strebens zu. Der jetzt eben in Wien zum Dom-Kapellmeister ernannte Joh. Gänsbacher, oder der Kapellmeister und Opern-Di rektor des Theaters an der Wien, Ritter von Seyfried in Wien, scheinen mir die Männer zu sein, die Sie mit kundiger Meisterhand auf den wahren Weg führen können.«


»Mit wahrer Theilnahme und freundlicher Achtung u.s.w., am 27. Mai 1824.«[234]

Quelle:
Weber, Max Maria von: Carl Maria von Weber. Ein Lebensbild. Band 3, Leipzig: Ernst Keil, 1866, S. 232-235.
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