Rossini über Mozart

[221] In einem »An Guelfo« überschriebenen Briefe Rossini's kommt folgende Stelle über Mozart's »Don Juan« vor: »Guelfo, lebe ich noch ohne zu träumen, oder sind meine Sinne durch eine Trunkenheit bestrickt, von der ich bisher keine Ahnung gehabt. Ich war gestern in der[221] Oper. Mozart's ›Don Juan‹ wurde gegeben. Endlich! Endlich! Aber wie ward mir, als ich die Musik gehört. Bisher hatte ich von dem Wesen der theatralischen Musik nur einen verworrenen Begriff. Göttlicher Mozart, welch' ein Genius hat dich begeistert! Du sprichst in das Innerste des Herzens mit Tönen, die keine Worte bedürfen, und malst Leidenschaften mit einem Feuer, gegen das die Gewalt der Rede nicht aufkommt. Ich liebte mit ›Don Juan‹, ich war berauscht mit ihm; ich weinte mit Donna Anna, raste mit Donna Elvira und tändelte, als Zerline sang. Doch als der Geist erschien, da umfingen mich die Schauer der Geisterwelt, und Guelfo, ich schäme mich nicht – das Mark gefror mir in den Beinen. Guelfo, nimm dein Lob zurück; nein, ich bin kein Tondichter – Guelfo, gib mir dies Lob nicht eher, bis Mozart's Genius mich geküßt hat. Dein Joachim.« – Ein andermal wieder, als nämlich Rossini eines Tages Madame Viardot, nachdem sie das Originalmanuscript von Mozart's »Don Juan« gekauft, besuchte, verlangte er das Manuscript dieser seiner Lieblingsoper zu sehen, indem er hinzufügte: »ich will mich vor dieser heiligen Reliquie beugen«. Nachdem er mehrere Blätter der Original-Partitur umgewendet und tiefsinnend seinen Blick darauf hatte ruhen lassen, sagte er zu Viardot, während er seine Hand über Mozart's Schriftzüge ausbreitete: »Das ist der Größte, das ist der Meister Aller, das ist der Einzige, der eben so viel Wissenschaft als Genie und eben so viel Genie als Wissenschaft besaß«.

Quelle:
Mozart-Buch. Von Constantin von Wurzbach, Wien 1869, S. 221-222.
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