Bert, Paul

[154] Bert, Paul, geb. zu Auxerre (Yonne) 1830, hatte sich zuerst zur juridischen Carrière ausgebildet. Während einer Reise in Algerien, die er aus Familienrücksichten unternahm, hatte er mehrmals Gelegenheit gehabt, Ratten zu beobachten, denen Zuaven zum Scherz den Schwanz abschnitten und mit dem peripheren Ende in eine Rückenwunde einheilten. Die Erhaltung der Sensibilität in dem so zugerichteten Rattenschwanze veranlasste ihn, die Leitungsverhältnisse im Nerven zu studieren und, als er nach seiner Rückkehr in Paris zum Studium der Naturwissenschaften überging, diente ihm die Beobachtung als Dissertation zur Erhaltung des Doktordiploms: »De la greffe animale« (Paris 1863). 1868 wurde er zum Assistenten von Cl. Bernard ernannt, und als letzterer seinen Lehrstuhl in der Sorbonne verliess und zum Museum d'histoire naturelle überging, hielt B. einige Vorlesungen zuerst in der Sorbonne und dann auch im Museum d'histoire naturelle. Diese Vorlesungen »Leçons sur la physiologie comparée de la respiration« (Ib. 1868) enthielten übrigens nichts Neues. Ein naher Freund Gambetta's und zur radikalen Partei gehörend, wurde B. während des Krieges zum Präfekten des Departements du Nord ernannt, wo er sich durch seine unerbittlichen Verfolgungen der Anhänger des gefallenen Kaiserreichs auszeichnete. Nach dem Kriege wurde er zum Professor der Physiologie an der Sorbonne ernannt, hatte aber nie Gelegenheit, sich als Lehrer zu zeigen, da er, gleichzeitig zum Deputierten seiner Geburtsstadt gewählt, sich den französischen Gesetzen gemäss an der Lehrkanzel durch einen Suppléant hat ersetzen lassen müssen. Später wurde er unter der Regierung Gambetta's mit dem Unterrichtsministerium betraut, das er nur kurze Zeit verwaltete. Zu Anfang 1886 als General-Resident nach Tonkin geschickt, verstarb er hier an den Folgen der topischen Dysenterie 11. November 1886. B. war ein extrem freisinniger Mann, der in seinen politischen Stellungen mit wahrhaft[154] fanatischen Eifer den Einfluss der Geistlichkeit in Frankreich zu unterdrücken suchte. In wissenschaftlicher Beziehung bilden seine bedeutendste Leistung die Untersuchungen über den Einfluss hoher atmosphärischer Drucke auf tierische und pflanzliche Organismen, welche, in mehreren Werken zerstreut, endlich in einem starken Bande zusammengestellt wurden u. d. T.: »La pression barométrique etc.« (Ib. 1878). Das Hauptresultat dieser Untersuchungen soll der Beweis sein, dass Sauerstoff ein gefährliches Gift für den tierischen Organismus sei. – B. veranstaltete auf Grund dieser Untersuchungen vor einigen Jahren die Ballonfahrt, welche mit dem Tode von Croce-Spinelli und Sivel endete. Dazu kommen noch »Notes d'anatomie et de physiologie« (1867–70) – »Recherches sur le mouvement de la sensitive« (1867–70).

Quelle:
Pagel: Biographisches Lexikon hervorragender Ärzte des neunzehnten Jahrhunderts. Berlin, Wien 1901, Sp. 154-155.
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