Brown, Isaac Baker

[254] Brown, Isaac Baker, in London, berühmter Gynäkolog, geb. zu Colne Engame in Essex, 8. Juni 1812, war ein Zögling des Guy's Hosp., unter Hilton, liess sich 1834 als prakt. Arzt im Westend von London nieder und erwarb sich bald den Ruf eines geschickten Geburtshelfers. Er wendete seine besondere Aufmerksamkeit den Eierstockscysten zu und schrieb über die Behandlung derselben mit Punktion, Kompression, Excision eines Stückes und Anlegung einer Fistel, Injektion von Jodtinktur eine Anzahl von Aufsätzen in der Lancet (1844 bis 49), kam aber durch[254] die geringen Erfolge dieser Behandlungsweisen auf die Exstirpation und führte dieselbe zunächst 3 mal ohne günstigen Ausgang, dann zum 4. Male (1852) mit Erfolg an seiner eigenen Schwester aus. Er nahm einen thätigen Anteil an der Gründung des St. Mary's Hosp. und wurde bei demselben als Surgeon-Accoucheur und als Dozent für die chir. Krankheiten der Frauen und Kinder angestellt. 1858 legte er diese Stelle nieder und gründete bald darauf das London Surgical Home, den Hauptschauplatz seiner späteren ausgedehnten operativen Thätigkeit. 1854 hatte er ein Werk: »On surgical diseases of women« (3. ed. 1866) publiziert, das seinen Namen als ingeniösen und kühnen Operateur in den weitesten Kreisen bekannt machte. Er zeichnete sich durch unübertreffliche manuelle Geschicklichkeit bei der Ausführung schwieriger Operationen an den weiblichen Genitalien, der Operation veralteter Darmrisse, der Blasen- und Mastdarm-Scheidenfisteln, der Tumoren des Uterus u.s.w. aus, während er bei der Ovariotomie die Durchtrennung des Stieles mit dem Glüheisen ausführte. Über die Erkrankung der Ovarien und die Ovariotomie schrieb er: »On ovarian dropsy: its nature diagnosis and treatment« (Lond. 1862; 2. ed. 1868). 1861 hatte er die Genugthuung, dass Nélaton mehrere Tage lang sein Gast war, allen seinen Operationen beiwohnte und, nach Paris zurückgekehrt, der Ovariotomie daselbst Eingang verschaffte. 1865 wurde er Präsident der Medical Society. Im folgenden Jahre publizierte er das Werk: »On the curability of certain forms of insanity, epilepsy, catalepsy and hysteria in females« (Lond.), in welchem er als ein in einzelnen Fällen zur Heilung geeignetes Mittel die Clitoridectomie empfahl. Nachdem er diese Operation in einer grossen Zahl von Fällen ausgeführt, wurde 1867, in der Obstetrical Society, eine Anklage gegen ihn wegen unwürdigen Verhaltens erhoben, die nach langer und stürmischer Diskussion (Lancet, 1867, I, S. 366; Med. Times and Gaz., 1867, I, S. 427; Brit. Med. Journ., 1867, I, S. 395) seine Ausschliessung aus der Gesellschaft zur Folge hatte. Trotz der von seiner Seite gemachten Anstrengungen war er dadurch in den Augen des Publikums diskreditiert, erkrankte bald darauf[255] auch körperlich und starb 3. Februar 1873. – Er war einige Jahre lang unzweifelhaft in London der geschickteste Operateur bei Eierstocksgeschwülsten und Blasen-Scheidenfisteln; diese Operationen wurden von ihm sowohl im »Surgical Home« als in der Privatpraxis in grosser Zahl ausgeführt; er publizierte alle seine Operationsfälle, auch die unglücklich verlaufenen, mit grosser Offenheit; auch wird von Unparteiischen angenommen, dass die Clitoridectomie, die ihn schliesslich zu Grunde gerichtet hat, von ihm durchaus in gutem Glauben an deren Nützlichkeit empfohlen und ausgeführt worden sei.

Quelle:
Pagel: Biographisches Lexikon hervorragender Ärzte des neunzehnten Jahrhunderts. Berlin, Wien 1901, Sp. 254-256.
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