Emmerich, Rudolf

Emmerich, Rudolf
Emmerich, Rudolf

[455] Emmerich, Rudolf, in München, als Sohn des Ophthalmologen Jacob E. in Mutterstadt (Rheinpfalz) 29. September 1852 geb., studierte seit 1871 in München, nachdem er den deutsch-französ. Krieg im 3. freiwill. Sanitätskorps bis nach der Schlacht bei Sedan mitgemacht und dann erst das Absolutorium bestanden hatte. Eine mit dem Fakultätspreise gekrönte Arbeit »Über die chemischen Veränderungen des Isarwassers während seines Laufes durch München« brachte ihn in Beziehung zu v. Pettenkofer. E. widmete sich fortab der Hygiene, arbeitete als Assistent an der internen Poliklinik im ehem. Institut v. Baeyer's und im hygien. Laboratorium bei v. Pettenkofer, hier speziell »Über den Einfluss verunreinigten Wassers auf die Gesundheit«. 1878 führte E. auf der Insel Madeira »Untersuchungen über die Verbreitung der Cholera in Funchal« (1854), 1879 wurde er 1. Assistent am hygien. Institut in Leipzig bei Franz Hofmann und habilitierte sich daselbst für Hygiene. In dieser Zeit entstand die exper. Arbeit: »Die Verunreinigung der Zwischendecken in ihrer Beziehung zu den ectogenen Infectionskrankheiten« mit dem auf umfassendes Analysenmaterial gestützten Nachweis des bisher unbekannten und unbeachteten ungünstigen Einflusses des stark verunreinigten Bauschuttes in den Zwischendecken, besonders hinsichtlich Entstehung von Infektionskrankheiten und Ungeziefer; diese Arbeit gab zu gründlichen Reformmassregeln im Hochbau Anlass. 1880[455] wurde E. nach Lissabon berufen, um im Auftrage der Stadt eine Untersuchungsanstalt für Nahrungsmittel und Hygiene einzurichten. 1881 trat er als Assistent am hygien. Institut in München (v. Pettenkofer), sowie an der Untersuchungsanstalt für Nahrungsmittel ein und habilitierte sich an der Universität. Während der Choleraepidemie von Neapel (1884) und Palermo (1886) besuchte E. im Auftrage des bayr. Ministeriums diese Städte zu ätiolog. Studien, ebenso 1893 im Auftrage des Sultans Konstantinopel zu hygien. Reformen. E. gelangte im Laufe dieser Untersuchungen zur Ansicht, dass die Krankheitserscheinungen der Cholera asiat. im Wesentlichen auf Vergiftung durch salpetrige Säuren beruhen und begründete diese Theorie experimentell zunächst an Tieren, dann im Verein mit seinem Lehrer v. Pettenkofer durch den bekannten Versuch an sich selbst, indem sie je 1/10 ccm Bazillenkultur von Cholerabazillen genossen. An dieser Nitrittheorie hält E. noch heute fest. E. hat auch zuerst gezeigt, dass man pathogene Bakterien im tier. Organismus vernichten und eine tötliche Infektionskrankheit (Milzbrand) durch Einimpfung weniger schädlicher Bakterien (Erysipelstreptokokken) heilen kann. In Untersuchungen über künstliche Immunität und Serumtherapie hat E. gleichzeitig mit, aber unabhängig von Behring für die Diphtherie und ein Heilserum zur Schutzimpfung gegen den Rotlauf der Schweine hergestellt. In der zusammen mit Oscar Loew ausgeführten Arbeit »Bakteriologische Enzyme als Ursache der erworbenen Immunität und die Heilung von Infectionskrankheiten durch dieselben« (Ztschr. i f. Hyg. u. Infektionskr. XXXI 1899) wurde die Ursache der künstlichen Immunität gegen bakterielle Infektionskrankheit auf die Wirkung bakteriol. Enzyme (sog. »Nucleasen«) zurückgeführt, die an einen Eiweisskörper gebunden nicht nur ihre bakteriol. Wirkung behalten, sondern auch als hochmolekulare Verbindungen weniger leicht im Organismus zersetzt und ausgeschieden werden. Zusammen mit Trillich publizierte E. noch eine »Anleitung zu hygien. Untersuchungen« (3. Aufl. München 1900, auch mehrfach übersetzt). Für das grosse Handbuch der Hygiene und Gewerbekrankheiten von v. Pettenkofer[456] und v. Ziemssen bearbeitete E. zusammen mit Recknagel ein umfangreiches Handbuch der Wohnungshygiene und erstattete mehrere Jahre lang die Referate über Gesundheitspflege in Virchow-Hirsch's Jahresberichten. E. ist seit 1888 Prof. e. o. d. Hygiene, Mitgl. des Gesundheitsrates der Stadt München und Oberstabsarzt d. R. Mehrere seiner Schüler sind als Proff. d. Hygiene in Russland, Österreich und Italien thätig.

Quelle:
Pagel: Biographisches Lexikon hervorragender Ärzte des neunzehnten Jahrhunderts. Berlin, Wien 1901, Sp. 455-457.
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