[675] Haeser, Heinrich, berühmter med. Historiker zu Breslau, 15. Okt. 1811 in Rom, wo zu jener Zeit sein Vater, Musikdirektor in Weimar, sich aufhielt, geb., genoss seine Erziehung in Weimar, wo ihn, ausser der in der Familie heimischen Musik und den klassischen Studien, auch die naturwissenschaftl. anzogen, denen er sich, sowie der Medizin, von 1830 an auf der Univ. Jena widmete, allerdings noch ganz in naturphilosophischem Sinne. Er erlangte 1834 mit der Diss.: »De influentia epidemica« die Doktorwürde, begann nach einer längeren wissenschaftlichen Reise, auf welcher er die wichtigsten deutschen und österreichischen Univ. besuchte, 1835 in dem ihm als Wirkungskreis angewiesenen Städtchen Auma (S.-Weimar) die ärztliche Praxis auszuüben, habilitierte sich jedoch 1836 in Jena als Privatdozent und bekleidete mehrere Jahre hindurch die Stelle eines Sekundararztes der Poliklinik. Nach und nach begann er sich in die französische und englische Medizin zu vertiefen, vor allem wurde er durch die physiolog. Arbeiten Joh. Müller's angezogen. Er veröffentlichte seine »Historisch-pathologischen Untersuchungen. Als Beiträge zur Geschichte der Volkskrankheiten« (2 Bde.,[675] Dresden und Leipzig 1839 bis 41), stellte eine »Bibliotheca epidemiographica, sive catalogus librorum .... conscriptorum« (Jena 1843; 2. edit. Greifswald 1862) zusammen, nachdem er 1839 zum Prof. e. o. befördert worden war und von 1840 an die Herausgabe des »Archiv für die gesammte Medicin« begonnen hatte. Durch dieses von einer Reihe jüngerer Mitarbeiter getragene und unterstützte Journal, welches bis 1849 erschien, und zu welchem H. noch 1840 bis 42 ein »Repertorium für die gesammte Medicin« herausgab, sowie durch die Mitwirkung von H.'s Kollegen Schleiden, zu dem sich A. Siebert, F. Ried, E. Martin gesellten und denen noch später Aug. Förster sich anschloss, gelang es nach und nach, der neuen Richtung in Jena den Sieg über die naturphilosophische zu verschaffen. H. selbst gab, nach den umfangreichsten Quellenstudien, das Werk seines Lebens, das »Lehrbuch der Geschichte der Medicin und der Volkskrankheiten« (Jena 1845) heraus, das in mehreren neuen Bearbeitungen (2. Aufl., 2 Bde., 1853, 59, 65; 2. Abdruck 1867; 3. Aufl., 3 Bde., 1875, 82) weitergeführt worden ist. 1846 war H. zum ord. Prof. der Medizin ernannt worden, jedoch wurden die Zustände in Jena, zumal seit 1848, so unerfreuliche, dass er sich 1849 entschloss, seine Entlassung zu nehmen und zur Herausgabe einer med. Zeitschrift nach Leipzig übersiedelte. In Jena gab H. noch das von Gruner hinterlassene grosse Quellenwerk, die »Scriptores de sudore anglico superstites« (Ib. 1847) heraus. Jedoch schon 1849 wurde er als ord. Prof. an die Univ. Greifswald berufen, wo er einen umfangreicheren Wirkungskreis gewann, die sehr vermehrte zweite Auflage seiner Geschichte der Medizin bearbeitete und daneben einige kleine Schriften erscheinen liess, wie: »Geschichte christlicher Krankenpflege und Pflegerschaften« (Berlin 1857) – »Über das Sittliche in dem Berufe des Arztes« (Greifswald 1860). 1862 siedelte[676] er in gleicher Eigenschaft, mit dem Charakter als Geh. Medizinalrat, an die Univ. Breslau über, wo er die dritte, noch ungleich mehr erweiterte Bearbeitung seiner Geschichte der Medizin herausgab, für Pitha-Billroth's Handb. der allgem. und spez. Chir. eine »Übersicht der Geschichte der Chirurgie und des chirurgischen Standes« (1864) und eine ähnliche Abhandlung später (1879) auch für die »Deutsche Chirurgie« (Liefg. 1) schrieb, einen »Grundriss der Geschichte der Medicin« (Jena 1884) verfasste, zusammen mit A. Middeldorpf das »Buch der Bündth-Ertzney. Von Heinrich von Pfolspeundt, Bruder des deutschen Ordens 1460« (Berlin 1868) herausgab und eine kleine Schrift: »Zur Geschichte der medicinischen Facultät Greifswald« (Breslau 1879) publizierte. 1884 hatte er das Glück, in gewohnter Rüstigkeit und Geistesfrische sein 50jähriges Doktor-Jubiläum zu begehen. Sein Tod erfolgte 13. Sept. 1884. H. war ein ausserordentlich gelehrter, philos. gebildeter, vielseitiger Arzt, dessen Hauptverdienst auf den Gebieten der Geschichtsforschung wie Geschichtsschreibung liegt. Seine 3bändige »Geschichte der Med. etc.« ist in der jüngsten Aufl. ein für die histor. Studien bisher immer noch unentbehrliches und namentlich durch die Reichhaltigkeit biogr.-litterar. Angaben ausgezeichnetes Werk, das nicht mit Unrecht die »histor.-med. Bibel« genannt worden ist. Trotz mancher Fehler bildet es bisher als das ausführlichste seiner Art eine unerschöpfliche Fundgrube für histor. Arbeiten.