Malgaigne, Joseph-François

Malgaigne, Joseph-François
Malgaigne, Joseph-François

[1081] Malgaigne, Joseph-François, zu Paris, hervorragender Chirurg, 14. Febr. 1806 zu Charmes-sur-Moselle (Vosges) als Sohn eines armen Landarztes geb., machte in Nancy seit 1821 ausser litter. auch einige med. Studien, wurde mit 19 Jahren Officier de santé, wie sein Vater, ging aber, nur mit den allergeringsten Mitteln versehen, nach Paris, gab Unterricht in der Anatomie und Physiologie und wurde Zögling des Militär-Hosp. Val-de-Grâce, das er aber bereits 1831 verliess, um zu promovieren. 1831 ging er nach Polen als Divisionsarzt der National-Armee und wohnte als solcher der Erstürmung von Warschau bei, 1835 wurde er nach glänzendem Konkurse zum Prof. agrégé und zum Chirurgen des Bureau central ernannt. Als solcher begann er in der École pratique öffentl. Vorträge über chir. Anatomie zu halten, die bei seinem gediegenen Wissen, seiner Originalität, seiner Liebhaberei für das Paradoxe grossen Beifall fanden und Anlass zu seinem später[1081] erschienenen »Traité d'anatomie chirurgicale et de chirurgie expérimentale« (2 voll., Paris 1838; 2. éd. 1859; Brüssel 1838; deutsch von F. Reiss und J. Liebmann, Prag 1842) gaben. Früher war bereits sein beinahe in alle europ. Sprachen übersetztes berühmtes »Manuel de médecine opératoire« (1834; 8. éd. von L. le Fort, 1874; engl. Übers, v. H. Savage; ital. v. Andr. Bianchi, Mailand 1834, 35; deutsch v. H. Ehrenberg, Leipzig 1843) erschienen. Aus Vorträgen, die er gehalten, gingen ferner seine wichtigen Mitteilungen über die Hernien hervor. In dieselbe Zeit fiel seine kritische, mit Einleitungen und Anmerkungen versehene Ausgabe der »Oeuvres complètes d'Ambroise Paré etc.« (3 voll., 1840) und eine Reihe anderer gediegener Arbeiten über die Sterblichkeit in Pariser Hospitälern, über Arterienwunden (1834), Behandlung der Thränenfistel (1835, Konkurs-These), Cataract-Operation (1837), über Rectocele vaginalis (1838), die Operation der serösen und Synovialcysten (1840), Punktion des Hydrocephalus chron. (1840), über die Irrigation bei chir. Krankh. (1842, Konkurs-These), Geschwülste des Samenstranges (1848, Konkurs-These), endlich sein Hauptwerk »Traité des fractures et des luxations« (2 voll., av. atlas de 30 pl. fol.; T. I. Fractures, 1842; T. II. Luxations, 1855; deutsch v. C. G. Burger, 2 Bde., 1850, 56). 1843 bis 55 war er Chef-Redakteur des von ihm begründeten »Journal de Chirurgie«, das seit 1847 sich in die »Revue médico-chirurgicale« umgewandelt hatte. M. bekleidete ferner nacheinander die Stellungen als Chirurg im Hôp. de Lourcine, Bicêtre, viele Jahre auch am Hôp. Saint-Louis und in der letzten Zeit seines Lebens an der Charité, doch gelang es ihm erst nach 4maligem Konkurse 1850, eine Professur in der Fakultät, nachdem er 1846 Mitglied der Acad. de méd. geworden war. Zum Präsidenten derselben 1865 erwählt, starb er 17. Okt. 1865 an den Folgen einer Apoplexie. – M. war ohne Frage der gelehrteste, unterrichtetste, kritischste Chirurg der Neuzeit und einer der glänzendsten und hinreissendsten Redner in der Akademie und der Fakultät, einer der anziehendsten Lehrer und elegantesten Schriftsteller; dabei war er von der strengsten Ehrenhaftigkeit und Wahrheitsliebe, getreu der von der Soc. de[1082] chir. auf seinen Vorschlag angenommenen Devise: »Vérité dans la science; moralité dans l'art«. Ein Feind aller Hypothesen, hat sein scharfer Forschergeist über viele dunkle Kapitel der Chirurgie, mit Hilfe beglaubigter Thatsachen, der Statistik und der histor. Forschung, denen beiden er sehr zugethan war, Licht verbreitet. So sehr er als wissenschaftl. Chirurg glänzte, war seine prakt. Wirksamkeit verhältnismässig unbedeutend, obgleich er für manche Dinge, beispielsweise für die Behandlung einzelner (Patella-, Tibia-) Frakturen, wichtige Verbesserungen angegeben hat; als Operateur hat er sich niemals hervorgethan. Auch sein Debut in der Deputiertenkammer (1847 bis 48) war nur von kurzer Dauer.

Quelle:
Pagel: Biographisches Lexikon hervorragender Ärzte des neunzehnten Jahrhunderts. Berlin, Wien 1901, Sp. 1081-1083.
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