Schwann, Theodor

Schwann, Theodor
Schwann, Theodor

[1560] Schwann, Theodor, Begründer der tierischen Zellenlehre, geb. 7. Dez. 1810 zu Neuss als Sohn eines Buchhändlers und strenggläubigen Katholiken, studierte in Bonn, Würzburg und Berlin, am ersten u. letztgenannten Orte hauptsächlich unter Joh. Müller, unter dessen Leitung er seine Dissert.: »De necessitate aëris atmosphaerici ad evolutionem pulli in ovo incubato« arbeitete, mit der er 1834 in Berlin promovierte. Hierauf nahm er die Gehülfenstelle am anat. Museum an und ging schon 1839 als Prof. der Anatomie an die freie Univ. Löwen, von wo er 1848 als Prof. der Physiol. und vergl Anat. nach Lüttich berufen wurde. Hier wirkte er bis 1880. Er starb an einem apoplekt. Anfalle im Hause seines Bruders in Cöln 11. Jan. 1882, wohin ihn ein Weihnachtsbesuch geführt hatte. – Mit S.'s Namen ist, wie Waldeyer in dem älteren biogr. Lexikon sich ausdrückt, die grossartigste That auf dem Gebiete der tier. Biologie verknüpft; doch ist S. nicht, wie oft ausgesprochen wird, der Entdecker der tier. Zelle, sondern, was mehr sagen will, der Begründer der tier. Zellenlehre. Ihm verdankt die Wissenschaft den Nachweis, »dass die tier. Zellen mit denen der Pflanzen morphologisch und physiologisch zu vergleichen sind und weiter, dass in der That die sämtlichen tier. Gewebe teils aus Zellen hervorgehen, teils aus solchen dauernd[1560] bestehen.« Von dem Studium der embryonalen Keimblätter ausgehend, stellte S. diese Thatsachen ein für allemal fest. Die betreffende, weltbekannte Publikation führt den Titel: »Mikroskopische Untersuchungen über die Uebereinstimmung in der Structur und dem Wachsthum der Thiere und Pflanzen« (Berlin 1839) und enthält ausserdem noch eine Reihe von Einzelentdeckungen in der Anatomie, nach Waldeyer's Aufzählung u.a. speziell folgende: Die Nagelzellen, die Federzellen, die sogenannten Tomes'schen Zahnfasern, die Kerne der glatten und gestreiften Muskelfasern, der sichere Nachweis der nach ihm benannten, aber schon von Prochaska gesehenen Scheide der Nervenfasern. Doch sind einige von diesen Entdeckungen in Froriep's Neuen Notizen auch (1838) veröffentlicht. S. ist ferner der Entdecker des wirksamen Magenferments, des von ihm sogenannten »Pepsins« (J. Müller's Archiv 1846). Nicht minder bedeutend sind seine Forschungen über Gährung und Fäulnis mit der Widerlegung der Generatio aequivoca und dem Nachweis des Einflusses organischer Keime, als welche er die von Leeuwenhoek für Krystalle gehaltenen Hefekörperchen ansprach. Auch als Experimentator hat sich S. bewährt in Arbeiten über Muskelkontraktion, über die Physiologie der Galle (1844), wobei er zuerst eine Gallenfistel anlegen lehrte; ferner publizierte S.: »Beiträge zur Anatomie der Nervenfaser« (Müller's Arch. 1836), mehrere Artikel im grossen Berl.[1561] encyklopäd. Wörterbuch der Med., ein kurzes populäres Lehrbuch der Anat. in französ. Sprache (1855) und mehrere Abhandlungen in den Sitzungsber. der belg. Akad. d. Wiss. Interessant ist die Mitteilung, dass S. als frommer Katholik vor Veröffentlichung seiner berühmten »mikroskop. Untersuchungen« beim Erzbischof von Mecheln als dem geistlichen Oberhaupt seines Heimatsortes anfragte, ob der Inhalt seiner Entdeckung den Lehren der Kirche widerstreite; für diesen Fall würde er Bedenken tragen, ihn zu publizieren.

Quelle:
Pagel: Biographisches Lexikon hervorragender Ärzte des neunzehnten Jahrhunderts. Berlin, Wien 1901, Sp. 1560-1562.
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