[1758] Velpeau, Alfred-Armand-Louis-Marie, zu Paris, sehr berühmter Chirurg, geb. 18. Mai 1795 zu Brèche (Indre-et-Loire) als Sohn eines armen Dorf-Handwerkers, kam mit 20 Jahren, um Med. zu studieren, nach Tours, wo er Bretonneau's Schüler war, wurde in 2 Jahren Officier de santé, vervollständigte in weiteren 2 Jahren seine Kenntnisse, um die Univ. beziehen zu können, ging nach Paris, wo er sich kümmerlich durchschlug, aber bald, nach glänzendem Konkurse, 1822, Aide d'anatomie bei der Fakultät, 1823 Dr. und in demselben Jahre auch Chef de clinique im Hôp. de la Faculté und Agrégé in der Sektion für Med. wurde Während er im Hosp. sich mit Chir. und Geburtsh. beschäftigte, nahm er auf der Anat. ein Projekt von Jules Cloquet wieder auf und bereitete einen »Traité d'anatomie chirurgicale« etc. vor, der 1825 und 26 zuerst erschien und ausserordentlichen Anklang fand. Nachdem er noch eine beträchtliche Anzahl weiterer Schriften vermischten Inhalts produziert hatte, veröffentlichte er seinen grossen »Traité élémentaire de l'art des accouchements, ou« etc. (2 voll., Paris und London 1829; 2. éd. u. d. T.: »Traité complet de l'art des accouchements« etc. 1835, av. 16 pl.; engl, von Ch. D. Meigs, Philad. 1831; italien. von Gius. Coen, Venedig 1836, 4.), mit dem er und besonders in dessen 2. Aufl. (1835) ein Handbuch umfassender Art lieferte. 1828 wurde V. zum Chirurgen des Hôp. Saint-Antoine, 1830 der Pitié ernannt, wo er bis 1834 blieb. 1832 erschienen als das dritte grosse Handbuch von ihm innerhalb 10 Jahren, seine bekannten »Nouveaux éléments de médecine opératoire etc.« (3 voll., 1832, av. atlas, 20 pl.; 2. éd. 1839, 22 pl.; auch italien.), welches vor früheren ähnlichen Werken den Vorzug hatte, dass es weniger Gewicht auf die Details der operativen Verfahren als deren wirklichen Wert und Anwendbarkeit für die einzelnen Fälle legte; die hervorgetretenen Mängel, namentlich das Fehlen aller bibliograph. Nachweise, suchte V. in der 2. Aufl. zu verbessern. Von 1831 an nahm er 5mal an[1758] den Konkursen um verschiedene Lehrstühle teil; so für den der externen Pathol., um den der Physiol., sodann wiederum um eine Professur der externen Pathol., bis ihm endlich, nachdem auch der Lehrstuhl der klin. Geburtsh. ihm entgangen, 1834 die durch Boyer's Tod erledigte chir. Klinik in der Charité, die er von da an 33 Jahre innehatte und mit unentwegter Regelmässigkeit und beständigem Erfolge leitete, zuteil wurde. Von dieser Zeit an nahm seine bis dahin etwas unbestimmte Laufbahn ihre ausschliessliche Richtung auf die Chirurgie. Obgleich V. jetzt eine Stellung, um die er von vielen beneidet wurde, erreicht hatte, seit 2 Jahren auch Mitglied der Acad. de méd. war, arbeitete er rastlos, auch litterar., weiter und publizierte ein »Mém. sur les maladies du système lymphatique« (Arch. génér. 1835, 36), mit welchem er einen wichtigen Beitrag zur Lehre von der Pyämie lieferte, und, nachdem er bedeutende Erfahrungen über die von ihm nicht erfundene, aber verallgemeinerte Jodinjektion in seröse Höhlen gemacht, darüber: »Recherches anat., physiol, et pathol. sur les cavités closes naturelles ou accidentelles de l'economie animale« (1843) und »Les injections médicamenteuses dans les cavités closes« (Annales de la chir. etc., 1846). Auch an der von Deutschland ausgehenden Bewegung, nämlich die für immer aufzugebende operative Behandlung des Stotterns und die durch unzweckmässige Ausführung und Nachbehandlung für 20 Jahre in Misskredit geratene Schieloperation betreffend, beteiligte sich V. 1840 hatte er, zusammen mit Bégin, Vidal (de Cassis) u. Marchal (de Calvi), die »Annales de la chir. française et étrangère« gegründet, leitete dieselben bis 1845, wo sie wieder eingingen und erklomm im Alter von 48 Jahren (1843) die höchste Sprosse auf der Leiter der wissenschaftl. Ehren, indem er, an Larrey's Stelle, zum Mitgliede der med. Sektion des Instituts ernannt wurde. Weiterhin[1759] liess er noch ein grösseres Werk: »Traité des maladies du sein et de la région mammaire« (1853, av. 8 pl.; 2. éd. 1858), eine auf 2000 Beobachtungen basierte Monographie, erscheinen, die als sein bemerkenswertestes, originellstes und wahrscheinlich dauerndstes Werk angesehen werden kann. Er verteidigte darin mit vollem Recht, gegen die Angriffe der Histologen, den von ihm eingenommenen rein praktischen Standpunkt bezüglich der Entwicklung und Prognose der Pseudoplasmen; gleichwohl gab das Werk zu langen Debatten in den wissenschaftl. Körperschaften und in der Presse Anlass. Von dieser Zeit an liess V.'s wissenschaftl. Thätigkeit etwas nach, aber er nahm noch wiederholt an den Diskussionen in der Akad., über die sekundär syphilit., die Puerperal – Erkrankungen, die subkutane Methode teil und verfasste noch einige Artikel, z.B. den über »Angioleucite« im Dict. encyclop. des sc. méd. Endlich erlag auch seine eiserne Natur; er starb 18. Aug. 1867; noch in seiner Todesnacht murmelte er im Delirium die Worte, die man als den Leitstern seines ganzen langen Lebens ansehen kann: »II ne faut pas être paresseux; travaillons toujours.« – V. hatte seine immense Laufbahn stets in gleichmässigem Schritt, ohne Abweichungen und ohne Rast zurückgelegt, mit seltener Arbeitskraft, festem Willen und durchdringendem Verstande. Seine litterar. Arbeit gehört zu den umfassendsten und dürfte sich, wenn man alle Artikel der Diktionnaires, alle in den verschiedenst. Zeit- und Gesellschaftsschriften zerstreuten Aufsätze und Berichte zusammenfasst, leicht auf 20 Bde. belaufen. Obgleich V.'s Name an keine bedeutende Erfindung oder Entdeckung geknüpft ist, ist er doch auf den Fortschritt in der Chirurgie, für Frankreich wenigstens, von entschiedenem Einfluss gewesen. Als Lehrer war er durch eine einfache und klare Methode ausgezeichnet; fast die ganze jüngere[1760] Generation der französ. Chirurgen gehört zu seinen Schülern; als Praktiker ragte er durch die Sicherheit seines Urteils und durch seine Vorsicht als Operateur hervor.