Vierordt, Karl von

Vierordt, Karl von
Vierordt, Karl von

[1768] Vierordt, Karl von, berühmter Physiolog, geb. 1. Juli 1818 zu Lahr in Baden, studierte seit 1836 in Heidelberg unter Tiedemann, Gmelin und Th. Bischoff, 1838 bis 39 in Göttingen unter C. J. M. Langenbeck und Woehler, dann wieder in Heidelberg unter F. C. Naegele und Chelius, hielt sich 1839 bis 40 in Berlin auf, wo er Schoenlein und Joh. Mueller hörte, bestand 1840 das Staatsexamen, besuchte dann abermals Berlin und ein Vierteljahr lang Wien, promovierte 1841 in Heidelberg und liess sich in Karlsruhe als prakt. Arzt nieder. 1842 veröffentlichte er seine erste wissenschaftl. Arbeit: »Beiträge zur Pathol. und Ther. des Strabismus« (Heidelb. med. Annal.). 1843 wurde er Oberchirurg im Grossherzogl. Leib-Inf.-Reg., eine Stellung, die ihm zu weiteren litterar. Arbeiten Zeit liess. Er publizierte: »Über die Abhängigkeit des Kohlensäuregehaltes der ausgeathmeten Luft von der Häufigkeit der Athembewegungen« (A. f. phys. Heilk., 1844) und die Monographie:[1768] »Physiologie des Athmens mit besond. Rücksicht auf die Ausscheidung der Kohlensäure« (Karlsruhe 1845), sowie die Abhandl.: »Beiträge zur pathol. Anat. der typhösen Fieber« (Z. f. rat. M., 1845, III) und den Artikel »Respiration« in R. Wagner's Handwörterb. der Physiol., 1846. Diesen Arbeiten schloss sich, in den folgenden Jahren eine Reihe weiterer gediegener, speziell physiol. Themata behandelnder Aufsätze an, deren genaues Verzeichnis in der unten zitierten Quelle angegeben ist und die V.'s Namen in der wissenschaftl. Welt so bekannt machten, dass er 1849 einen Ruf als Prof. e. o. für theoret. Med. nach Tübingen erhielt, wo er auch 1850 bis 56 die bisher von Griesinger geführte Redaktion des »Archivs für physiol. Heilkunde« leitete. Er las über allgem. Pathol. und Ther., Mat. med., Geschichte der Med., gab aber die Fächer, als er sich ausschliesslich der Physiol. widmen konnte, allmählich wieder ab, die Mat. med. 1857. Nach dem Abgange Arnold's (1853), der Anat. und Physiol. zugleich gelehrt hatte, wurden beide Disziplinen getrennt. V. erhielt die Physiol. als Haupt-Kolleg und wurde 1855 zum ord. Prof. und Direktor des physiol. Instituts ernannt. 1864 bis 65 bekleidete er das Rektorat der Univ., bei dessen Abgabe er eine denkwürdige Rede: »Ueber die Einheit der Wissenschaften« hielt; 1868 bezog er das hauptsächlich durch seine Bemühungen neugegründete physiolog. Institut, feierte 1874 sein 25jähr. Dr.-Jubil., in Gemeinschaft mit dem Anatomen Luschka, begann 1883 an asthmatischen Beschwerden infolge von Herzhypertrophie zu kränkeln, trat infolgedessen im Juli 1884 von seinem Lehramte zurück und starb 22. Nov. desselben Jahres. – V.'s Verdienste um die Umgestaltung und Förderung der Physiologie sind sehr bedeutende. Ausser den oben zitierten Arbeiten sind in erster Linie seine Untersuchh., betr. die Zahl der Blutkörperchen zu nennen, die er 1852 begann und in verschiedenen, im Archiv für physiol. Heilk. publizierten Aufsätzen: »Neue Methode der quantitativen mikroskop. Analyse des Blutes« – »Zählungen der Blutkörperchen des Menschen« – »Neue Methode der Bestimmung des Rauminhaltes der Blutkörperchen« etc. niederlegte, wie er denn überhaupt[1769] die Lehre vom Blut durch wichtige Untersuchh. erheblich bereicherte. Er demonstrierte auf der Naturforscher-Versammlung in Tübingen (1853) einen neuen Sphygmographen, wurde durch die Monographie: »Die Lehre vom Arterienpuls in gesunden und kranken Zuständen« (Braunschweig 1855) der Begründer der modernen Sphygmographie und schrieb die gleichfalls bemerkenswerte Arbeit: »Die Erscheinungen u. Gesetze der Stromgeschwindigkeiten des Blutes nach Versuchen« (Frankf. 1858), worin dieses vor V. etwas stiefmütterlich behandelte Kapitel der Physiol. durch Auffindung einer Reihe wichtiger Gesetze sehr wesentlich gefördert wurde. Nächst den genannten, sind als grössere Arbeiten V.'s zu erwähnen die 1869 begonnenen Untersuchh. über die Entwicklung des Raumsinnes der Haut, die später von einer Anzahl seiner Schüler in eingehenderen Versuchsreihen erweitert und ergänzt wurden; ferner die Untersuchh. über Spektrophotometrie, auf die sich 3 grössere Monographien beziehen: »Die Anwendung des Spectralapparates zur Photometrie der Absorptionsspectren und quantitat. chem. Analyse« (Tübingen 1873) – »Die Anwendung des Spectralapparates zur Messung und Vergleich. der Stärke des farb. Lichtes« (Ib. 1871) und »Die quant. Spectralanalyse in ihrer Anwendung auf Physiol., Chemie und Technologie« (Ib. 1876). Schliesslich dürfen nicht unerwähnt bleiben sein sehr beliebter »Grundriss der Physiologie« (Frankfurt, später Tübingen 1860/61; 5. Aufl. Tübingen 1877; auch ins Italien., Holländ, und Poln. übersetzt), sowie seine Bearbeitung der »Physiologie des Kindesalters« (Gerhardt's Handb. der Kinderkrankh., 1877). Die letzten Arbeiten V.'s hatten das Gebiet der Akustik zum Gegenstande und sind veröffentlicht in der erst nach dem Tode des Verf. erschienenen Monographie: »Die Schall- und Tonstärke und das Schalleitungsvermögen der Körper« (Tübingen 1885), der auch eine Biographie V.'s vorgedruckt ist, betitelt: »Zum Andenken an Karl v. V.« mit einem 116 Nummern umfassenden Gesamtverzeichnisse seiner Arbeiten.

Quelle:
Pagel: Biographisches Lexikon hervorragender Ärzte des neunzehnten Jahrhunderts. Berlin, Wien 1901, Sp. 1768-1770.
Lizenz:
Faksimiles:
1768 | 1769 | 1770
Kategorien:
Ähnliche Einträge in anderen Lexika