Wunderlich, Karl Reinhold August

Wunderlich, Karl Reinhold August
Wunderlich, Karl Reinhold August

[1881] Wunderlich, Karl Reinhold August, der berühmte Leipziger Kliniker, als Sohn des Oberamtsarztes, späteren Med.-Rates W. 4. Aug. 1815 zu Sulz a. Neckar geb., studierte seit 1833 in Tübingen, anfangs wegen der herrschenden philosoph. Richtung ohne rechte Neigung, bis er durch das Studium des eben erschienenen Lehrbuchs der Physiologie von Joh. Müller, sowie durch die Lektüre der französ. und engl. Schriften grössere Liebe zur Med. empfing, in der er besonders auch durch die Freundschaft mit seinen damaligen Kommilitonen Griesinger und Roser bestärkt wurde. Nach 1837 in Tübingen bestandenem Rigorosum, besuchte W. ein Jahr lang Paris, übernahm 1838 die Stelle eines Assistenten am Katherinen-Hosp. zu Stuttgart, erwarb im Nov. 1838 durch eine Abhandlung: »Ueber die Nosologie des Typhus« (Stuttgart 1839) zu[1881] Tübingen die Doktorwürde, ging 1839 nochmals für einige Monate nach Paris und verbrachte dann den Winter zu Stuttgart, woselbst er Vorlesungen für Militärärzte hielt. 1840 habilitierte er sich in Tübingen und schrieb, nachdem er 1840 längere Zeit in Wien gewesen war, die Aufsehen erregende Schrift: »Wien und Paris« (Stuttgart 1841). 1841 wurde W. Assistent des kränklichen Prof. der Klinik, Hermann, 1843 dessen Stellvertreter, sowie a. o. Prof. und Mitglied der Fakultät ernannt, 1846 ord. Prof. u. definitiver Direktor der med. Klinik. 1850 folgte er einem Ruf als ord. Prof. d. Med. nach Leipzig, woselbst er als Direktor der med. Klinik am Jakobs-Hosp. Okt. 1850 seine berühmte Lehrthätigkeit begann und bis zu seinem 25. Sept. 1877 erfolgten Ableben in ebenso rührigem als vielseitigem Wirken fortführte, die allerdings seit 1866 infolge wankenden Gesundheitszustandes von W. mehrfache Unterbrechung hatte erfahren müssen. Er hielt alljährlich Vorträge über spez. Pathol. und Ther., mehrmals über Psychiatrie, Balneologie und Klimakurorte, über Krankenthermometrie, sowie einmal (1858) über Geschichte der Med. Neben den Geschäften als akad. Lehrer besorgte W. eine ziemlich ausgedehnte, namentlich konsultat. Privatpraxis, war (seit 1854) Medizinalbeisitzer bei der k. Kreishauptmannschaft zu Leipzig. Während der Choleraepidemie in Leipzig 1866 und im Kriegsjahr 1870/71 entfaltete W. eine ganz besonders angestrengte[1882] Thätigkeit. W. gehört unbestritten zu den bedeutendsten deutschen Klinikern des 19. Jahrhunderts. Er war ein ausgezeichneter Lehrer, eminent fruchtbarer u. fleissiger Schriftsteller, tiefer, kritischer Denker und vorzüglicher Diagnostiker. Von seinem streng wissenschaftlichen Sinn legt die von ihm ständig gepflegte histor. Betrachtung das beste Zeugnis ab. Sein Hauptverdienst erwarb er sich, wie bekannt, durch die Pflege der Thermometrie am Krankenbette und seine grossen litterar. Unternehmungen, vor allem durch Betonung der Wichtigkeit exakter, rationeller Forschung auch in der Klinik. Die wichtigsten seiner litterar. Leistungen sind von Winter im älteren Lexikon zusammengestellt. Dazu gehört auch eine Reihe von Abhandlungen, welche W. in seinem berühmten mit Griesinger und Roser 1842 begründeten »Archiv für physiol. Heilkunde« veröffentlichte, einer Zeitschr., die von epochemachender Bedeutung wurde, insofern ihr Erscheinen die neue, naturwissenschaftl. Richtung in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts inaug. half. In diesem Archiv finden sich auch die berühmten Publikationen über klin. Thermometrie, die die Grundlage zu W.'s bekannter Schrift: »Ueber das Verhalten der Eigenwärme in Krankheiten« bildeten.

Quelle:
Pagel: Biographisches Lexikon hervorragender Ärzte des neunzehnten Jahrhunderts. Berlin, Wien 1901, Sp. 1881-1883.
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