Zinn, Friedrich Karl August

Zinn, Friedrich Karl August
Zinn, Friedrich Karl August

[1904] Zinn, Friedrich Karl August, Psychiater, Geh. San.-Rat zu Eberswalde, Prov. Brandenburg, geb. 20. Aug. 1825 zu Ilbesheim, Pfalz, Bayern, beabsichtigte ursprünglich Forstmann zu werden und hatte bereits die Examina dieses Faches hinter sich, als er von der Bewegung des Jahres 1848 hingerissen wurde und infolge seiner Beteiligung an derselben in die Schweiz flüchten musste. Unter Sorgen für seinen Lebensunterhalt studierte er in Zürich als Schüler K. E. Hasse's und C. Ludwig's, promovierte dort 1853 mit der Diss. »Ueber Prädisposition zu Hernien«, war 1853 bis 56 Assistenzarzt an der Irrenanstalt u. dem Spital in Zürich unter Griesinger, 1856 bis 64 prakt. Arzt in Thalweil bei Zürich, 1864 bis 72 Direktor der St. Gallischen Irrenanstalt St. Pirminsberg und seit 1872 Direktor und Chefarzt der Brandenburgischen Land-Irrenanstalt zu Eberswalde, wo er bis zu seinem 16. Nov. 1897 erfolgten Tode wirkte. Z. verdankte seine fachmännische Ausbildung hauptsächlich Griesinger, Bach und Roller und dem Besuch der[1904] grösseren Irrenanstalten und Spitäler der Schweiz, Deutschlands, Belgiens und Hollands. Er hat sich nicht bloss um die Irrenpflege in der ihm anvertrauten Anstalt, sondern auch um die psychiatrische Wissenschaft überhaupt, wie auch um die bezügliche Gesetzgebung und zahlreiche andere ärztliche Standesangelegenheiten ein bedeutendes Verdienst erworben. Er war 1872 bis 84 Mitglied des Vorstandes des Vereins der deutschen Irrenärzte, seit 1880 a. o. Mitglied des kaiserl. Reichs-Gesundheits-Amts, seit 1882 Landes-Medizinal-Referent für die Prov. Brandenburg, in welcher Eigenschaft ihm u.a. die ärztl. Oberaufsicht über die Irren-, Taubstummen-, Landarmen- und Korrektions-Anstalten der Provinz oblag. Ferner war er Mitbegründer (1865) des St. Gallischen und (1873) des Brandenburgischen Hilfsvereins für Geisteskranke, 1874 bis 81 Mitglied des deutschen Reichstages, 1875 bis 76 Mitglied der Reichs-Justizkommission (Zivil-Strafprozess-Ordnung und Gerichtsverfassungsgesetz) und als solcher namentlich bei Feststellung des »Verfahrens in Entmündigungssachen wegen Geisteskrankheit«, ferner in betreff der Stellung der ärztl. Sachverständigen vor Gericht, der Untersuchung zweifelhafter Seelenzustände Angeklagter, der Strafvollstreckung, des Rechtes der Ärzte zur Verweigerung der Zeugenaussage über bei Ausübung ihres Berufes Anvertrautes thätig; 1878 bis 79 war er Berichterstatter der Reichstags-Kommission über das Nahrungsmittelgesetz, trat im Reichstage für das Impfgesetz, das Viehseuchengesetz, die Errichtung des Reichs-Gesundheits-Amtes u.s.w. entschieden ein, war beim Entwurf des Programms und der Pläne zahlreicher Irrenanstalten und Krankenhäuser (Zürich, Rheinau, St. Pirminsberg, St. Gallen, Marsens, St. Urban, Dalldorf bei Berlin, Neustadt bei Danzig, Landsberg a. W. u.s.w.) als ärztlicher Sachverständiger allein oder mit anderen thätig und veröffentlichte eine nicht unerhebliche Zahl von Schriften. Die wichtigsten derselben sind betitelt: »Die öffentliche Irrenpflege im Canton Zürich und die Notwendigkeit ihrer Reform« (1853) – »Commentar zum Nahrungsmittelgesetz« (1879) und ausserdem Vorträge: »Ueber die Cholera-Epidemie im [1905] alten Spital in Zürich« (1856) – »Ueber die Masernepidemie in Thalweil« (1858) – »Ueber die Staatsaufsicht über die Irrenanstalten« (1877) – »Ueber die Stellung des Geistlichen an der Irrenanstalt« (1880) – »Ueber die Versorgung geisteskranker Verbrecher« (1882) – »Ueber die öffentliche Irrenpflege der Provinz Brandenburg« (1884).

Quelle:
Pagel: Biographisches Lexikon hervorragender Ärzte des neunzehnten Jahrhunderts. Berlin, Wien 1901, Sp. 1904-1906.
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1904 | 1905 | 1906
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