Fünftes Kapitel

[59] Die Gesichtspunkte in Bezug auf das Mehr oder Weniger sind möglichst allgemein zu nehmen, dann kann man sie für mehr Fälle benutzen. Man kann von den erwähnten Gesichtspunkten manche allgemeiner machen wenn man den Ausdruck ein wenig verändert, so ist[59] z.B. das von Natur so Beschaffene mehr so beschaffen, als das nicht von Natur so Beschaffene. Wenn ferner das Eine den Gegenstand, dem es einwohnt, zu einem von solcher Beschaffenheit macht, als es selbst ist und das Andere dieses nicht bewirkt, so ist jenes mehr von solcher Beschaffenheit, als das andere; wenn aber beide es bewirken, so ist dasjenige mehr von solcher Beschaffenheit, welches den Gegenstand mehr zu einem von solcher Beschaffenheit macht.

Wenn ferner in Vergleich mit demselben Gegenstande das eine mehr, das andere weniger von solcher Beschaffenheit ist, oder wenn das eine mehr von der Beschaffenheit ist, als der Gegenstand, das andere aber nicht von dieser Beschaffenheit, so ist offenbar das erstere mehr von dieser Beschaffenheit, als das andere.

Dasselbe gilt bei der Hinzufügung für das, was, wenn einem Gegenstand hinzugefügt, denselben mehr zu einen von solcher Beschaffenheit macht, als das andere; oder wenn es einem Gegenstande von geringerer solcher Beschaffenheit hinzugefügt, denselben zu einem von grösserer solcher Beschaffenheit macht, als das andere den seinigen. Ebenso verhält es sich mit der Wegnahme. Wenn durch Wegnahme des einen der Rest des Gegenstandes weniger von derselben Beschaffenheit behält, als durch die Wegnahme des andern, so ist ersteres mehr von solcher Beschaffenheit. Wenn ferner von zweien das eine mit seinem Gegentheil sich weniger vermischt, als das andere, so ist seine Beschaffenheit mehr eine solche, als die des anderen; so ist z.B. das Weisse, was sich weniger mit dem Schwarzen vermischt, deshalb mehr weiss. Auch das, was neben dem früher Gesagten für den, dem vorliegenden Gegenstand eigenthümlichen Begriff empfänglicher ist, ist ein Mehr in seiner Art; wenn z.B. der Begriff des Weissen die durch das Gesicht unterscheidbare Farbe ist, so ist dasjenige mehr weiss, was mehr die durch das Gesicht unterscheidbare Farbe ist.

Quelle:
Aristoteles: Die Topik. Heidelberg 1882, S. 59-60.
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