Vierzehntes Kapitel

[29] Wenn also A in dem ganzen B statthafterweise enthalten ist und ebenso B in dem ganzen C, so ergiebt sich der vollkommene Schluss, dass A in dem ganzen C statthafterweise enthalten ist. Dies erhellt aus der obigen Begriffsbestimmung, denn ich habe das »statthafter Weise in dem Ganzen enthalten sein« so erklärt. Ebenso ist, wenn A statthafterweise in keinem B, und B statthafterweise in dem ganzen C enthalten ist, A statthafterweise in keinem C enthalten. Denn wenn man setzt, dass bei den Dingen, bei welchen B statthaft ist, A nicht statthaft sei, so bedeutet dies so viel, als dass dann hiervon keines der Dinge, bei welchen B statthaft ist, eine Ausnahme mache. Wenn dagegen A statthafterweise in dem ganzen B enthalten ist, aber B in keinem C, so ergiebt sich aus solchergestalt angesetzten Vordersätzen kein Schluss; kehrt man aber den Satz B C in sein statthaftes Gegentheil um, so ergiebt sich derselbe Schluss, wie vorher. Denn wenn es statthaft ist, dass B in keinem C enthalten ist, so ist es auch statthaft, dass es in allen C enthalten ist, wie ich früher dargelegt habe, und wenn dann B in dem ganzen C, und A in dem ganzen B enthalten ist, so ergiebt sich derselbe Schluss, wie vorhin. Ebenso verhält es sich, wenn die Verneinung als statthaft in beiden Vordersätzen gesetzt wird, wenn also A statthafterweise in keinem B, und B statthafterweise in keinem C enthalten ist. Hier ergiebt sich aus solchergestalt angesetzten Vordersätzen kein Schluss, kehrt man sie aber in die bejahenden um, so ergiebt sich derselbe Schluss, wie vorher. Es erhellt also, dass, mag man blos den Untersatz oder mag man beide Vordersätze verneinend ausdrücken, entweder kein Schluss sich ergiebt, oder dass zwar ein solcher sich ergiebt, aber kein vollkommener,[29] weil die Nothwendigkeit des Schlusses erst aus der Umkehrung entsteht.

Wird aber nur ein Vordersatz allgemein genommen, und der andere beschränkt, so ergiebt sich ein vollkommener Schluss nur dann, wenn der Obersatz allgemein leitet. Ist nämlich A statthafterweise in den ganzen B, und B statthafterweise in einigen C enthalten, so erhellt aus der Definition des Statthaften, dass A in einigen C statthafterweise enthalten ist. Ebenso muss, wenn A statthafterweise in keinem B, B aber statthafterweise in einigen C enthalten ist, A in einigen C statthafterweise nicht-enthalten sein und der Beweis ist derselbe wie vorher. Wird aber der beschränkte Vordersatz verneinend gesetzt, und der allgemeine bejahend und lauten beide auf das statthaft-sein, also dass A statthafterweise in allen B enthalten, B aber in einigen C statthafterweise nicht enthalten ist, so ergiebt sich, bei solcher Annahme der Vordersätze kein deutlicher Schluss; kehrt man aber den beschränkten Vordersatz um und setzt man, dass B statthafterweise in einigen C enthalten ist, so ergiebt sich derselbe frühere Schlusssatz, wie in den zuerst behandelten Fällen. Wird aber der Obersatz mit dem grösseren Aussenbegriffe beschränkt gesetzt und der Untersatz dagegen allgemein, so ergiebt sich in keinem Falle ein Schlusssatz, mag man beide Vordersätze bejahend oder beide verneinend oder einen bejahend und den andern verneinend, oder beide unbestimmt oder nur den beschränkten Vordersatz unbestimmt ansetzen. Denn dann hindert nichts, dass der Umfang des Begriffs B über den Umfang des Begriffs A hinausreicht und dass A nicht in gleicher Weise von allen B ausgesagt werden kann; man nehme also dann das C für den Theil von B, der über A hinausgeht; und in diesem C kann A weder in dem ganzen, noch in ihm gar nicht, noch in einigen von diesem Theile, noch nicht in einigen statthafterweise enthalten sein, weil die auf das Statthafte lautenden Vordersätze sich umkehren lassen und B einen grösseren Umfang haben kann, als A. Dies ergiebt sich auch aus den Begriffen selbst, denn wenn die Vordersätze so lauten, so ist offenbar der obere Aussenbegriff statthafterweise in dem letzten bald ganz bald gar nicht enthalten. Als Begriffe, welche für alle die Fälle gelten, wo der Oberbegriff in dem Unterbegriff[30] enthalten sein muss, nehme man: Geschöpf, Weisses, Mensch; und für die Fälle, wo dies nicht sein kann: Geschöpf, Weisses, Mantel. Somit erhellt, dass bei einem solchen Verhalten der Begriffe sich kein Schluss ergiebt; denn jeder Schluss geht entweder auf das einfache Sein, oder auf das nothwendige oder auf das statthafte Sein und es erhellt, dass der Schluss hier nicht auf das einfache oder auf das nothwendige Sein gehen kann: denn der bejahende Schluss wird durch den verneinenden Schluss aufgehoben und der verneinende durch den bejahenden. Somit bliebe nur ein Schluss auf das statthafte Sein übrig; allein ein solcher ist hier unmöglich, da gezeigt worden ist, dass bei solchem Verhalten der Begriffe der Oberbegriff sowohl in dem ganzen Unterbegriff, wie auch gar nicht in ihm enthalten sein muss. Also würde auch kein Schluss auf das statthafte Sein sich ergeben, denn das Nothwendige ist kein Statthaftes.

Hiernach ist klar, dass wenn in den auf das Statthafte lautenden Vordersätzen die Begriffe sich allgemein verhalten, in der ersten Schlussfigur sich immer ein Schluss ergiebt, mögen die Sätze bejahend oder verneinend leiten; indess sind nur die bejahenden vollkommene Schlüsse, die verneinenden aber unvollkommene. Man darf jedoch das Statthafte hier nicht in dem Sinne eines Nothwendigen nehmen, sondern in dem früher angegebenen Sinne. Bisweilen wird dies übersehen.

Quelle:
Aristoteles: Erste Analytiken oder: Lehre vom Schluss. Leipzig [o.J.], S. 29-31.
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