Sechszehntes Kapitel

[37] Lautet aber ein Vordersatz auf das nothwendige Sein und der andere auf das Statthafte, so ergiebt sich ein Schluss, wenn die Begriffe sich in derselben Weise, wie früher verhallen und zwar wird der Schluss ein vollkommener sein, wenn der Untersatz ein nothwendiger ist, Der Schlusssatz wird, wenn die Vordersätze bejahend lauten, nur als statthaft und nicht als einfach seiend lauten, mögen die Vordersätze allgemein oder nicht allgemein lauten. Im Fall aber der eine bejahend, der andere verneinend lautet, wird der Schluss nur ein statthafter sein und nicht das einfache Sein ausdrücken, sofern[37] der bejahende Satz der nothwendige ist, ist aber der verneinende der nothwendige, so wird der Schluss entweder ein statthafterweise verneinender, oder ein einfach verneinender sein; mögen die Vordersätze allgemein lauten oder nicht. Das »Statthafte« im Schlüsse ist dabei in demselben Sinne zu nehmen wie früher. Dagegen wird kein Schlusssatz auf das nothwendige Nicht-sein lauten, denn das »nicht-nothwendig sein« ist etwas anderes, als das »nothwendig nicht-sein.«

Dass nun, wenn die Vordersätze bejahend lauten, der Schluss kein nothwendiger wird, ist klar; denn es sei A in allen B nothwendig enthalten und B sei in allen C statthafterweise enthalten; dann wird der Schluss dahin lauten, dass A statthafterweise in allen C enthalten sei, jedoch ein unvollkommener sein. Dass er dies ist, erhellt aus dem Beweise, denn dieser Beweis wird auf dieselbe Art geführt, wie in dem früheren Falle. Umgekehrt soll der Satz, dass A in allen B enthalten, nur ein statthafter sein und B soll in allen C nothwendig enthalten sein; hier ergiebt sich der Schluss, dass A in allen C statthafterweise enthalten ist, aber nicht, dass es in allen C einfach enthalten ist und der Schluss ist ein vollkommener und nicht ein unvollkommener; denn er vollzieht sich unmittelbar aus den gegebenen Vordersätzen. Sind dagegen die Vordersätze nicht gleichlautend, so soll zunächst der verneinende ein nothwendiger sein, und A soll nothwendig in keinem B enthalten sein, B aber soll in allen C statthafterweise enthalten sein. Hier folgt, dass A nothwendig in keinem C enthalten ist. Denn man nehme an, dass A in allen oder in einigen C enthalten sei und es war gesetzt, dass A in keinem B enthalten sein könne. Nun lässt sich dieser verneinende Satz umkehren und deshalb kann auch das B in keinem A enthalten sein; von A ist aber angenommen, dass es in allen oder in einigen C enthalten sei und es würde sonach folgen, dass B in feinem oder nicht in allen C statthafterweise enthalten sein könne; allein es war ja ursprünglich gesetzt worden, dass B in allen C statthafterweise enthalten sei. – Es ist aber klar, dass wenn der Schlusssatz das einfache Nicht-sein ergiebt, er auch das statthafte Nicht-sein befasst.

Ferner soll der bejahende Vordersatz ein nothwendiger[38] sein und es soll also A nur statthafterweise in keinem B enthalten und B soll nothwendig in allen C enthalten sein. Hier ergiebt sich ein vollkommener Schluss, aber er lautet nicht auf eine nothwendige Verneinung, sondern nur auf eine statthafte Verneinung; denn der Obersatz wurde nur so angenommen und ein Beweis der Unmöglichkeit des Gegentheils ist hier nicht zu führen; denn wenn man auch annähme, dass A in einigen C enthalten sei, so könnte, da angenommen ist, dass A statthafterweise in keinem B enthalten ist, daraus nichts Unmögliches abgeleitet werden. Wird aber der Untersatz verneinend gesetzt und bezeichnet er nur die Statthaftigkeit, so ergiebt sich ein Schluss, wenn man denselben in sein Gegentheil verkehrt, wie in den früheren Fällen; lautet aber der Untersatz auf das Nicht-Statthafte, so ergiebt sich kein Schluss. Ebensowenig dann, wenn beide Vordersätze verneinend lauten und der Untersatz nicht auf das Statthafte lautet. Zum Beweis dessen können hier dieselben Begriffe dienen und zwar für das Enthaltensein: das Weisse, das Geschöpf und der Schnee, und für das Nichtenthaltensein: das Weisse, das Geschöpf und das Pech.

Ebenso wird es sich mit den beschränkten Schlüssen verhalten; denn wenn der verneinende Vordersatz ein nothwendiger ist, so wird der Schluss auf das einfache Nicht-enthaltensein lauten. Wenn z.B. A nothwendig in keinem B enthalten ist, aber B in einigen C statthafterweise enthalten ist, so muss der Schluss dahin lauten, dass A in einigen C nicht enthalten ist; denn wenn A in allen C enthalten wäre, in B aber gar nicht sein kann, so könnte auch B in keinem A enthalten sein, es würde also, wenn A in allen C enthalten wäre, kein B in C enthalten sein können, während doch angenommen worden, dass es in einigen C enthalten sei. Wenn dagegen der beschränkte bejahende Satz der nothwendige ist, also der Untersatz B C in dem verneinenden Schlüsse, oder der allgemeine Obersatz A B in dem bejahenden Schlüsse, so giebt es keinen einfach bejahenden Schluss. Der Beweis ist derselbe, wie in den früheren Fällen. Lautet aber der Untersatz allgemein, sei es bejahend oder verneinend und dabei nur auf das Statthafte und der Obersatz beschränkt und nothwendig, so giebt es keinen Schluss. Als Beispiel für die nothwendige Bejahung[39] nehme man die Begriffe: Geschöpf, Weisses, Mensch und für die nicht-statthafte Bejahung: Geschöpf, Weisses, Mantel. Ist aber der allgemeine Untersatz ein nothwendiger und der beschränkte Obersatz nur ein statthafter, so nehme man für den Fall, dass der allgemeine Untersatz verneinend lautet, als Beispiel für das Enthaltensein die Begriffe: Geschöpf, Weisses, Rabe und als Beispiel für das Nicht-enthaltensein die Begriffe: Geschöpf, Weisses, Pech; lautet aber der allgemeine Untersatz bejahend, so nehme man für das Enthaltensein die Begriffe: Geschöpf, Weisses, Schwan und für das Nicht-statthafte Enthaltensein die Begriffe: Geschöpf, Weisses, Schnee.

Auch giebt es keinen Schluss, wenn die Vordersätze unbestimmt, oder beide beschränkt lauten; als gemeinsame Beispiele für das Enthaltensein können hier dienen die Begriffe: Geschöpf, Weisses, Mensch und für das Nicht-enthaltensein: Geschöpf, Weisses, Lebloses; denn das Geschöpf kann in einigem Weissem und das Weisse in einigem Leblosen sowohl nothwendig enthalten sein, als auch nicht-statthaft enthalten sein. Dies gilt auch für das statthafte Enthaltensein und deshalb können diese Begriffe für alle Fälle benutzt werden.

Aus dem Gesagten erhellt sonach, dass wenn die Begriffe so zu nothwendigen Sätzen verbunden wer den, wie früher zu einfach-seienden Sätzen, dann auch ebenso wie dort ein Schluss sich ergiebt und nicht ergiebt, ausgenommen dass dort, wenn der verneinende Vordersatz auf das einfache Verneinen lautete, der Schlusssatz hier nur auf das Statthafte lautet; lautet aber hier der verneinende Vordersatz als ein nothwendiger, so lautet der Schlusssatz auf das statthafte und auf das Nicht-sein. Auch erhellt, dass alle diese Schlüsse unvollkommen sind und dass sie erst vermittelst der früher bezeichneten Schlussfiguren zu vollkommenen werden.

Quelle:
Aristoteles: Erste Analytiken oder: Lehre vom Schluss. Leipzig [o.J.], S. 37-40.
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