[45] Wenn aber von den Vordersätzen der eine als ein nothwendiger und der andere als ein statthafter gesetzt ist, so giebt es einen Schluss, wenn der verneinende Vordersatz ein nothwendiger ist, und zwar lautet der Schluss nicht blos auf das statthafte nicht enthaltensein, sondern auf das einfache Nicht-enthalten sein. Dagegen giebt es keinen Schluss, wenn der bejahende Vordersatz auf die Nothwendigkeit lautet. Denn es soll A nothwendig in keinem B, aber in C statthafterweise enthalten sein. Kehrt man hier den verneinenden Satz um, so ist auch B in keinem A enthalten; aber A war statthaft in allen C enthalten und es ergiebt sich also hier wieder mittelst der ersten Figur, dass B statthafterweise in keinem C enthalten ist. Zugleich erhellt aber, dass B auch einfach seiend in keinem C enthalten ist; denn man nehme an, dass es einfach seiend darin enthalten sei: wenn nun A nothwendig in keinem B enthalten ist, aber B in einigen C enthalten ist, so ist A in einigen C nothwendig nicht enthalten; allein es war ja angenommen, dass es statthafterweise in allen C enthalten sei. In derselben Weise kann der Beweis geführt werden, wenn der Vordersatz mit B C verneinend gesetzt wird. Nun sei aber der bejahende Satz nothwendig und der andere laute auf das blos statthafte; es sei also A statthafterweise in keinem B enthalten aber in allen C nothwendig enthalten. Wenn die Begriffe sich so zu einander verhalten, so giebt es keinen Schluss, denn es kann dann kommen, dass B in dem C nothwendig nicht enthalten ist. Es sei z.B. A das Weisse, B der Mensch und C der Schwan. Das Weisse ist hier nothwendig in dem Schwane enthalten und es ist statthaft, dass es in keinem Menschen ist; aber der Mensch ist nothwendig in keinem Schwane enthalten. Es ist also klar, dass der Schluss nicht auf das Statthafte[45] lauten kann, denn das Nothwendige ist nicht das Statthafte. Aber der Schluss kann auch nicht auf das Nothwendige lauten, da dieses sich nur dann ergeben hatte, wenn entweder beide Sätze nothwendig lauteten, oder wenn der verneinende Vordersatz ein nothwendiger war. Ueberdem kann es, wenn die Vordersätze so lauten, kommen, dass B in C enthalten ist. Denn nichts hindert es, dass C unter B enthalten ist, und dass A in allen B statthafterweise und in C nothwendig enthalten ist. So sei beispielsweise C das Erwachende, B das Geschöpf und A die Bewegung. Hier ist in dem Erwachenden nothwendig die Bewegung enthalten und in allen Geschöpfen ist die Bewegung statthafterweise enthalten und jedes Erwachende ist ein Geschöpf. Es erhellt also, dass der Schluss auch nicht auf das Nicht-enthalten-sein gehen kann, da, wenn die Vordersätze sich so verhalten, der Schluss sogar auf ein nothwendiges Enthaltensein lautet. Aber auch die entgegengesetzt lautenden Schlüsse sind deshalb nicht zulässig, mithin ist überhaupt kein Schluss hier zu ziehen. Der Beweis ist hierfür ebenso zu führen, indem man den bejahenden Satz umgekehrt setzt. Lauten aber die Vordersätze gleichartig, so ergiebt sich, wenn sie verneinend lauten, immer ein Schluss, wenn der auf das Statthafte lautende Satz wie vorhin in seinen Gegentheil umgekehrt wird. Denn man nehme an, dass A nothwendig in keinem B und statthafterweise in keinem C enthalten sei. Kehrt man nun diesen letztern in den bejahenden Satz um, so ist B in keinem A enthalten, aber A ist dann statthafterweise in allen C enthalten und es ergiebt sich damit die erste Figur. Dasselbe findet statt, wenn man die Verneinung zu C setzt. Lauten dagegen die Vordersätze bejahend, so ergiebt sich kein Schluss. Denn der Schluss kann offenbar nicht auf das einfache Nicht-sein und auch nicht auf das nothwendig Nicht-sein lauten, weil kein einfach oder nothwendig verneinender Vordersatz gesetzt worden ist. Der Schluss kann aber auch nicht auf das statthafte nicht-enthalten-sein gehen: denn wenn die Vordersätze so lauten, ist das B in dem C nothwendig nicht enthalten, z.B. wenn A das Weisse, B den Schwan und C den Menschen bedeutet. Aber auch für die entgegengesetzten Sätze[46] ergiebt sich kein Schluss, da gezeigt worden ist, dass B in dem C nothwendig nicht enthalten ist. Es kann also überhaupt kein Schluss gezogen werden.
Ebenso verhält es sich bei den beschränkten Vordersätzen; lautet nämlich der verneinende allgemein und nothwendig, so ergiebt sich immer ein Schluss auf das Statthafte und auf das Nicht-Enthaltensein [der Beweis dafür wird durch die Umkehrung des Vordersatzes geführt]; lautet aber der bejahende Vordersatz so, so ergiebt sich niemals ein Schluss. Es wird dies auf dieselbe Weise dargelegt, wie da, wo die Vordersätze allgemein lauten und zwar mittelst derselben beispielsweise angenommenen Begriffe. Auch wenn beide Vordersätze bejahend gesetzt wer den, ergiebt sich kein Schluss; auch dies lässt sich auf dieselbe Weise, wie früher, darlegen. Lauten aber beide Vordersätze verneinend und zwar der eine verneinende allgemein und nothwendig, so ergiebt sich zwar aus ihnen unmittelbar kein Schluss; aber wenn der das statthafte ausdrückende Vordersatz in sein Gegentheil umgekehrt wird, so ergiebt sich, wie früher dargelegt worden, ein Schluss; lauten aber beide Vordersätze unbestimmt oder beide beschränkt, so ergiebt sich kein Schluss. Auch hier ist der Beweis der gleiche und er kann durch dieselben beispielsweise gegebenen Begriffe geführt werden.
Aus dem Gesagten erhellt sonach, dass wenn der verneinende Satz allgemein und nothwendig lautet, immer ein Schluss statt hat und zwar nicht auf ein blosses statthaftes Nicht-sein, sondern auf ein einfaches Nichtsein; lautet aber der bejahende Vordersatz allgemein und nothwendig, so giebt es niemals einen Schluss. Lauten beide Vordersätze entweder nothwendig oder einfach seiend und verhalten sie sich ebenso, wie hier, so giebt es bald einen Schluss, bald keinen. Auch ist klar, dass diese Schlüsse sämmtlich unvollkommene sind, und erst durch die früher erwähnten Figuren zu vollkommenen werden.
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