Einundzwanzigstes Kapitel

[49] Wenn aber ein Vordersatz auf das einfache Sein, der andere auf das statthafte Sein lautet, so geht der Schluss nur auf das Statthafte und nicht auf das einfache Sein. Der Beweis ergiebt sich in gleicher Weise, wie vorher, wenn man dieselben beispielsweise aufgestellten Begriffe benutzt. Es seien nämlich die Vordersätze zunächst bejahend und A soll in allen C einfach, B aber in allen C statthafterweise enthalten sein. Kehrt man hier den Vordersatz B C um, so ergiebt sich die erste Figur und der Schluss, dass A in einigen B statthafterweise enthalten ist; denn wenn der andere Vordersatz in der ersten Figur blos auf das Statthaft-sein lautete, so ginge auch der Schlusssatz nur auf das Statthaft-sein. Wenn ferner der Satz B C das einfache Sein und der Satz A C das statthafte Sein ausdrückt, sowie wenn der Satz A C verneinend und der Satz B C bejahend lautet, aber einer von beiden das einfache Sein besagt, so wird in beiden Fällen der Schluss nur auf das statthafte Sein lauten; denn es ergiebt sich wieder die erste Figur und bei dieser ist bereits gezeigt worden, dass wenn einer der Vordersätze nur das statthafte Sein ausdrückt, auch der Schlusssatz nur auf das Statthafte[49] lautet. Wird dagegen der Vordersatz mit dem kleinern äusseren Begriff verneinend gesetzt, oder werden beide Vordersätze verneinend gesetzt, so ergiebt sich aus denselben in solcher Fassung nicht geradezu ein Schluss, aber er wird, wie in den früher erwähnten Fällen, sich ergeben, wenn die Vordersätze in ihr Gegentheil umgekehrt werden.

Ist aber einer der Vordersätze ein allgemeiner und der andere ein beschränkter, und lauten beide bejahend, oder lautet der allgemeine verneinend und der beschränkte bejahend, so wird es sich mit den Schlüssen eben so verhalten, denn alle werden durch die erste Figur vollendet. Sonach erhellt, dass aus einem Vordersatze, der auf das statthafte Sein und einen, der auf das einfache Sein lautet, Schlüsse abgeleitet werden können. Ist aber der eine ein bejahender und allgemeiner und der andere ein verneinender und beschränkter, so muss dies aus der Unmöglichkeit des Gegentheils bewiesen werden. Denn es sei B in allen C einfach seiend enthalten, A sei aber statthafterweise in einigen C nicht enthalten, so muss A statthafterweise in einigen B nicht enthalten sein Denn wenn A in allen B nothwendig enthalten wäre, so müsste, da B in allen C einfach seiend gesetzt ist, A in allen C nothwendig enthalten sein, wie früher gezeigt worden; allein es ist angenommen worden, dass A in einigen C statthafterweise nicht enthalten sei.

Werden aber beide Sätze unbestimmt oder nur beschränkt gesetzt, so ergiebt sich kein Schluss. Der Beweis ist hier derselbe, wie bei den allgemein lautenden Vordersätzen und er kann durch dieselben beispielsweise gegebenen Begriffe geführt werden.

Quelle:
Aristoteles: Erste Analytiken oder: Lehre vom Schluss. Leipzig [o.J.], S. 49-50.
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