Siebzehntes Kapitel

[132] Die Behauptung, »dass hieraus das Falsche sich nicht ergäbe,« wie man bei den Besprechungen oft einzuwenden pflegt, kommt zunächst in den Schlüssen auf das Unmögliche vor, wenn diese Behauptung sich gegen den bei dem Unmöglichkeitsbeweis aufgestellten widersprechenden Satz richtet, durch welchen indirekt der ursprüngliche Schlusssatz bewiesen werden soll. Denn wenn solcher widersprechender Satz nicht aufgestellt worden, kann die Entgegnung, dass hieraus das Unmögliche nicht folge, nicht erhoben werden, sondern man kann nur sagen, dass etwas Falsches gegen das Frühere angenommen worden. Auch erhebt man diesen Einwand nicht bei einem direkten Beweise, wo die Verneinung des zu beweisenden Satzes gar nicht als Vordersatz aufgestellt wird. Auch wenn etwas direkt durch die Begriffe A, B, C widerlegt wird, kann man nicht sagen, dass der Schluss nicht aus dem Gegebenen folge. Denn diesen Einwand, dass der Schluss nicht aus dem Gegebenen folge, stellt man nur dann auf, wenn trotz der Beseitigung des Widersprechenden nichtsdestoweniger der Schluss sich vollzieht, was bei den direkten Schlüssen nicht der Fall ist, da, wenn die Ansätze widerlegt sind, es daraus auch keinen Schluss giebt. Es erhellt also, dass dieser Einwand nur gegen die Unmöglichkeitsbeweise aufzustellen ist und zwar dann, wenn die auf das Unmögliche abzielende anfängliche[132] Annahme sich so verhält, dass das Unmögliche in gleicher Weise folgt, mag diese Annahme wahr oder falsch sein.

Der offenbarste Fall für den Einwand, dass das Falsche nicht aus dem aufgestellten Satze folge, ist der, wenn der Schluss auf das Unmögliche aus der angenommenen Voraussetzung mit den Mittelbegriffen gar nicht zusammenpasst, wie in den Topiken gezeigt worden ist. Denn in solchem Falle wird etwas als Grund gesetzt, was gar keinen Grund hier abgeben kann; z.B. wenn jemand beweisen wollte, dass die Diagonale eines Quadrats kein gemeinsames Maass mit den Seiten desselben habe; und er nun versuchte, den Satz Zeno's zu beweisen, dass es keine Bewegung gebe und er das Unmögliche auf diesen Satz gründete; denn hier hat der sich ergebende falsche Satz nicht den mindesten Zusammenhang mit den im Anfang aufgestellten Obersatze.

Ein anderer Fall ist der, wo das Unmögliche zwar mit dem aufgestellten Obersatze zusammenhängt, aber doch nicht aus demselben sich ergiebt. Dies kann sowohl da der Fall sein, wo man diesen Zusammenhang oben oder unten dem Unmöglichkeitsbeweise ansetzt. Wenn z.B. gesetzt ist, dass A in B enthalten und B in C und C in D und es falsch oder unmöglich wäre, dass B in dem D enthalten sei; denn wenn man hier auch A bei Seite lässt, so würde doch nicht minder B in C und C in D enthalten sein und das Falsche würde also nicht durch den anfänglich aufgestellten Satz herbeigeführt. Oder wenn man das mit der zu beweisenden Behauptung Zusammenhängende zu dem Schluss hinzusetzte, wenn man z.B. setzte, dass A in B und E in A und Z in E enthalten sei und das Falsche wäre, dass Z in A enthalten sei; denn das Unmögliche würde nicht weniger bleiben, wenn man auch den anfänglichen Satz hinzunähme. Es muss vielmehr das Unmögliche mit den im Aufgang gesetzten Begriffen zusammenhängen, denn nur so wird es durch den Ansatz sich ergeben; also wenn man z.B. vor den unteren Sätzen das Zusammenhängende an setzt, so muss es mit dem Begriff, welcher etwas von dem andern aussagt, zusammenhängen; denn wenn es unmöglich ist, dass A in D enthalten sei, so hört diese Unmöglichkeit auf, wenn man A bei Seite lässt. Wird aber das Zusammenhängende[133] oben angesetzt, so muss es mit dem Begriffe, von dem etwas ausgesagt wird, zusammenhängen; denn wenn es nicht möglich ist, dass Z in B enthalten, so fällt das Unmögliche weg, wenn man B weglässt. Dasselbe gilt auch, wenn die Schlüsse verneinend lauten.

Somit erhellt, dass, wenn das unmögliche nicht für die anfänglich gesetzten Begriffe gilt, die Unrichtigkeit des Obersatzes nicht aus dem Ansatze folgt und selbst wenn dies so geschieht, wird das Falsche nicht immer aus der entgegengesetzten Annahme hervorgehen. Denn wenn man nicht setzt, dass A in dem B, sondern dass A in dem K enthalten sei und dass K in C enthalten und dieses in D, so wird auch so das Unmögliche bleiben, ebenso ist es, wenn das Zusammenhängende von Unten nach Oben in den Begriffen gesetzt wird, so dass, wenn, die Annahme mag wahr oder nicht wahr sein, das Unmögliche doch folgte, es also nicht aus dem Ansatz folgen würde.

Der Einwand, dass, wenn auch der widersprechende Obersatz nicht angesetzt werde, dennoch ein Falsches sich ergäbe, ist nicht so zu verstehen, dass das Unmögliche sich ergeben werde, wenn eine andere Voraussetzung angenommen werde, sondern dass, wenn auch diese Voraussetzung bei Seite gelassen werde, sich doch aus den übrigen Vordersätzen derselbe unmögliche Schlusssatz ergäbe, da ja sehr wohl dasselbe Falsche aus verschiedenen Annahmen sich ergeben kann; z.B. dass Parallellinien zusammentreffen, sowohl dann, wenn der innere Winkel grösser ist, als der äussere, wie dann, wenn das Dreieck mehr als zwei rechte Winkel enthält.

Quelle:
Aristoteles: Erste Analytiken oder: Lehre vom Schluss. Leipzig [o.J.], S. 132-134.
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