[107] Das im Kreise oder das gegenseitig aus einander Beweisen besteht darin, dass man mittelst des Schlusssatzes und des in seinen Begriffen umgekehrten einen Vordersatzes den anderen Vordersatz beweist, den man in dem vorhergehenden Schlüsse aufgestellt hatte. Wenn z.B. bewiesen werden sollte, dass A in allen C enthalten sei und dies durch den Mittelbegriff B bewiesen worden ist, und wenn man nun weiter bewiese, dass A in dem B enthalten, indem man setzte, dass A in dem C und C in dem B enthalten sei, also auch A in B, so ist dies ein Zirkelbeweis oder ein Beweis durch einander. Vorher hatte man umgekehrt angenommen, dass B in[107] dem C enthalten sei. Oder wenn bewiesen werden sollte, dass B in dem C enthalten und man setzte, dass A in dem C enthalten sei, was der Schlusssatz war, und dass B in A enthalten sei, während vorher umgekehrt angenommen war, dass A in B enthalten sei, so ist dies auch ein Zirkelbeweis.
In anderer Weise kann man die einzelnen Sätze des Schlusses nicht gegenseitig aus einander beweisen; denn entweder nimmt man dann einen anderen Mittelbegriff, und dann ist es kein Beweis im Kreise, denn es wird dann nichts aus dem ursprünglichen Schlüsse entnommen, oder man nimmt etwas daraus, und dann darf es nur ein Vordersatz sein; denn wenn man beide nimmt, so bleibt es bei demselben Schlusssatze, während doch ein anderer Schlusssatz sich ergeben soll.
Wo nun die Sätze sich nicht umkehren lassen, da wird der Zirkel-Schluss aus einem unbewiesenen Vordersatz abgeleitet, denn mit solchen Begriffen lässt sich nicht beweisen, dass der dritte Begriff in dem mittleren oder der mittlere in dem ersten enthalten ist. Wo aber die Sätze sich umkehren lassen, kann Alles, und zwar eines durch das andere bewiesen werden, wenn also sich A und B und C mit einander verwechseln lassen. Es sei nämlich der Satz A C durch B bewiesen worden dann wird der Satz A B durch den Schlusssatz und durch den umgekehrten Vordersatz B C bewiesen werden; ferner wird der Vordersatz B C durch den Schlusssatz und den umgekehrten Vordersatz A B bewiesen. Es muss hierzu also der Vordersatz C B und der Vordersatz B A bewiesen werden, da man nur diese beiden als unbewiesene Vordersätze benutzt hat. Wird nun angenommen, dass B in allen C und C in allen A enthalten ist, so ergiebt sich der Schluss, dass B in allen A enthalten ist. Wird aber ferner angenommen, dass C in allen A und A in allen B enthalten ist, so muss das C in allen B enthalten sein. Aber in diesen beiden Schlüssen wird der Vordersatz, dass C in allen A enthalten sei, ohne Beweis angenommen, denn die anderen waren schon bewiesen. Hat man daher diesen Satz bewiesen, so werden sie alle durch einander bewiesen sein. Wenn nun gesetzt wird, dass C in allen B und B in allen A enthalten ist, so sind damit die beiden Vordersätze als bewiesene genommen[108] und es muss dann nothwendig C in allen A enthalten sein.
Es ist also klar, dass Beweise im Zirkel und durch einander nur da geführt werden können, wo die Vordersätze sich umkehren lassen und in anderen Fällen nur so, wie ich gesagt habe.
Aber auch in jenen Schlüssen geschieht es, dass das schon Bewiesene selbst zu dem Beweise benutzt wird. Denn das C wird von dem B und das B von dem A bewiesen, wenn man setzt, dass C von dem A gelte, und dieser Satz, dass C von dem A gelte, wird durch jene Vordersätze bewiesen, so dass man also sich des Schlusssatzes zu dem Beweise der Vordersätze bedient.
Bei den verneinenden Schlüssen geschieht der wechselseitige oder Zirkel-Beweis in folgender Art. B soll in allen C enthalten sein und A in keinem B; hier ergiebt sich der Schluss, dass A in keinem C enthalten ist. Wenn dann weiter mitbewiesen werden soll, dass A in keinem B enthalten ist, was man bei dem vorhergehenden Schlüsse angenommen hatte, so wird zu dem Behufe A in keinem C und C in allen B enthalten sein müssen; denn so ist der eine Vordersatz umgekehrt. Soll aber gefolgert werden, dass B in allen C enthalten ist, so darf der Satz A B nicht in gleicher Weise umgekehrt werden, denn es ist derselbe Satz, mag er lauten, B ist in keinem A oder A in keinem B enthalten. Vielmehr ist noch die Voraussetzung zu machen, dass in dem, wo A in keinem enthalten ist, B in allen enthalten ist. Es soll also A in keinem C enthalten sein, wie der erste Schlusssatz lautete; nun soll gesetzt werden, dass B in Dem ganz enthalten sei, in welchem A gar nicht enthalten ist; also muss nothwendig B in allen C enthalten sein. Von den drei Sätzen ist sonach jeder ein Schlusssatz geworden und das im Zirkel beweisen besteht darin, dass man den Schlusssatz und den umgekehrten einen Vordersatz nimmt und daraus den anderen Vordersatz schliesst.
Bei den beschränkten Schlüssen kann der allgemeine Vordersatz durch die anderen nicht bewiesen wer den, aber wohl der beschränkte durch jenen. Dass der allgemeine Vordersatz nicht bewiesen werden kann, ist klar, denn Allgemeines kann nur durch Allgemeines bewiesen werden; aber der Schlusssatz lautet hier nicht allgemein,[109] obgleich doch aus diesem und dem anderen Vordersatz der Beweis geführt werden muss. Auch ergiebt sich überhaupt kein Schluss, wenn der allgemeine Vordersatz umgekehrt wird, da dann beide Vordersätze beschränkte sind.
Dagegen kann der beschränkte Vordersatz bewiesen werden. Es sei nämlich der Satz, dass A in einigen C enthalten, durch B bewiesen. Setzt man nun, dass B in allen A enthalten sei und lässt man den Schlusssatz unverändert, so folgt, dass B in einigen C enthalten ist; denn es entsteht dann die erste Figur und A wird der Mittelbegriff.
Lautet der Schlusssatz verneinend, so kann der allgemeine Vordersatz nicht bewiesen werden; weshalb nicht, ist früher gesagt worden. Ebenso kann der beschränkte Vordersatz nicht bewiesen werden, wenn auch der Satz A B hier sich ebenso wie bei den allgemeinen Schlüssen umkehren lässt. Wenn man aber noch eine Voraussetzung hinzunimmt, so kann man ihn beweisen, nämlich wenn man annimmt, dass B in einigen von dem enthalten ist, wo A in einigen nicht enthalten ist; denn ohnedem ergiebt sich kein Schluss, weil der beschränkte Vordersatz verneinend lautet.
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