Dreizehntes Kapitel

[29] Um den Gegner zu unglaubwürdigen Behauptungen zu verleiten, sind also die hier angegebenen Mittel zu benutzen; was aber die Verleitung zu leerem Geschwätz anlangt, so habe ich bereits gesagt, was ich unter solchem Geschwätz verstehe. Alle solche Reden der Sophisten wollen das erreichen, wie z.B. dass, wenn es gleich ist, ob man etwas nach seinem Namen oder nach seinem Begriff bezeichnet, mithin das Doppelte dasselbe ist, wie das Doppelte der Hälfte, und, wenn es somit ein Doppeltes der Hälfte giebt, es dann auch ein Doppeltes von der Hälfte der Hälfte gebe; und wenn man dann hier wieder statt des Doppelten das Doppelte der Hälfte setzt, so wird letztere drei Mal ausgesagt werden, als das Doppelte der Hälfte von der Hälfte der Hälfte. Ferner: Giebt es[29] eine Begierde nach dem Angenehmen? Nun ist aber die Begierde ein Streben nach dem Angenehmen; also ist die Begierde nach dem Angenehmen ein Streben nach dem Angenehmen des Angenehmen.

Alle solche Reden bewegen sich in Beziehungen, bei denen nicht blos die Gattungen der Dinge, sondern diese auch in Bezug auf Etwas ausgesagt werden und zwar bezogen auf ein und dasselbe. So ist das Streben auch das Streben nach etwas und die Begierde auch die Begierde nach etwas, und das Doppelte ist das Doppelte von Etwas und auch das Doppelte von der Hälfte. Bei Gegenständen aber, deren Wesen nicht ganz in einer Beziehung besteht, wie z.B. bei den Richtungen des Gemüths oder bei den Leidenschaften oder bei sonst etwas der Art, wird in deren Begriffe noch dargelegt, dass sie in Bezug auf ein Bestimmtes ausgesagt werden. So ist z.B. das Ungerade eine Zahl, welche eine Mitte hat; nun giebt es aber ungerade Zahlen, also ist die Zahl eine Zahl, die eine Mitte hat. Ist ferner das Stumpfnäsige eine Hohlheit der Nase, und giebt es stumpfnäsige Nasen, so giebt es eine hohle Nase-Nase.

Mitunter scheint es so, als verleite man zu leerem Geschwätz, ohne dass es doch der Fall ist, indem man nicht noch besonders fragt, ob das Doppelte, für sich ausgesprochen, etwas bedeute oder nichts bedeute, und ob, wenn es etwas bedeutet, es dasselbe oder etwas Anderes bedeute, als der begriffliche Ausdruck, sondern gleich den Schlusssatz zieht. Hier scheint der Name, weil er derselbe bleibt, auch dasselbe zu bezeichnen.

Quelle:
Aristoteles: Sophistische Widerlegungen. Heidelberg 1883, S. 29-30.
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